"Kabale und Liebe": Zwei, die sich zermürben

„Kabale und Liebe“: Amélie Niermeyer hat am Residenztheater jetzt endlich ihr Lieblingsstück inszenieren dürfen
Gabriella Lorenz |
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„Kabale und Liebe“: Amélie Niermeyer hat am Residenztheater jetzt endlich ihr Lieblingsstück inszenieren dürfen.

Drei Mal wollte ich das am Resi schon machen, aber es hat sich einfach nie ergeben“, sagt Amélie Niermeyer. Es ergab sich auch später nirgends. Bis Martin Kusej sie anrief: „So, jetzt machen wir dein Lieblingsstück.“ Nun inszeniert sie am Residenztheater Schillers „Kabale und Liebe“. Samstag ist Premiere.

Das Resi ist für Amélie Niermeyer Heimatboden. Hier fing sie 1990 mit knapp 25 Jahren als Hausregisseurin an unter Intendant Günther Beelitz (der ließ auch den heutigen Leiter Kusej erstmals in München inszenieren). Dann machte sie steile Karriere: Sie inszenierte an vielen großen Häusern Deutschlands, 2002 wurde sie Intendantin des Freiburger Dreispartentheaters, von 2006 bis 2011 war sie Chefin des Düsseldorfer Schauspiels.

Jetzt leitet sie am Salzburger Mozarteum die Abteilung Regie/Schauspiel und unterrichtet als Professorin Regie. Wohnsitz ist München, hier geht ihr Sohn zur Schule. Die dauernde Pendelei ist anstrengend: „Ich kenne jede Tankstelle“, stöhnt sie. Zwei Mal im Jahr nimmt sie sich frei für Regiearbeiten – darunter zunehmend Opern. In München inszenierte sie zuletzt 2012 „Persona“ im Marstall, davor 2006 „Maria Stuart“.

Schiller erzählt in „Kabale und Liebe“ einen Amour fou, eine verrückte, unmögliche Liebe. Unmöglich zur Uraufführungszeit 1784 – wegen der Standes-Hierarchie: Luise ist die Tochter des kleinbürgerlichen Musikers Miller, Ferdinand der Sohn des adligen Staatspräsidenten von Walter.

Obwohl man die Klassenunterschiede leicht ins Heute übersetzen könnte – auch heute bleibt man beim Heiraten meist schichtenspezifisch unter sich –, interessiert das Amélie Niermeyer nur in zweiter Linie. Ihr Schwerpunkt heißt: „Warum die beiden sich lieben und warum diese Liebe nicht klappt“.

Sie fragt präziser: „Warum kann eine so hoch angesetzte Liebe keinen Bestand haben, ihren Absolutheitsanspruch nicht erfüllen, und scheitert an mittelmäßigen Intrigen?“ Ihre Erklärung: „Diese Liebe hätte auch ohne Intrige keine Sicherheit, weil das Vertrauen fehlt. In der Beziehung bauen sich Gesetzmäßigkeiten auf. Der Soziologe Ulrich Beck nennt das ,Radikaldemokratie zu zweit’. Diese Liebe zermürbt sich selbst. Ferdinand fällt auf die Intrige rein, weil er nicht vertraut. Der Anspruch ist, dass die Liebe täglich wachsen muss. Tut sie es nicht, ist es ein Scheitern. Die Ansprüche treiben sich gegenseitig immer weiter und zermalmen sich. Unglaublich, wie Schiller das mit 23 Jahren beschrieben hat.“

Ihren Ferdinand-Darsteller Michael Klammer hat sie aus Berlin geholt. Dort hatte sie ihn als Karl Moor gesehen und gewusst: „Das ist mein Ferdinand.“ Auch Andrea Wenzl als Luise entspricht nicht dem Schiller-Klischee einer naiven 16-Jährigen. Amélie Niermeyer suchte eine nicht kindliche Besetzung: „Ich wollte, dass die Schauspieler in ihrem Übermut auch Tiefe, Dunkelheit, den Abgrund in sich tragen.“ Sie müssen sich einlassen können auf das gefährliche Schiller-Pathos.

„Heute traut man sich große Emotionen auf der Bühne ja kaum mehr“, sagt die Regisseurin. „Aber man kann das nicht nur cool unterlaufen, sondern muss es ernstnehmen und ganz aus sich herausholen.“ Was auch für andere Figuren gilt: „Die Milford liebt fast mit dem gleichen Wahnsinn wie Ferdinand“, findet Niermeyer. „Letztlich sind alle – auch die Väter – unterschiedlich Liebende.“

Schiller hatte sein Drama ursprünglich „Luise Millerin“ genannt. Auf Luise setzt Niermeyer den Fokus: „Wir erzählen das sehr aus ihrer Perspektive, und haben dafür den Text am Anfang und Schluss etwas umgebaut.“ Noch eins ist ihr wichtig: Rasanz. „Das ist kein getragenes Stück, alles spielt an einem Tag.“ Sie erzählt es in knapp zwei Stunden.

Residenztheater, Samstag, 23. Februar, 19 Uhr

 

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