Jugend mit Hang zur Keuschheit
Bekanntlich wurde Wolfgang Amadeus Mozart nur 35 Jahre alt. So oft sein früher Tod beklagt wurde, liegt er damit immerhin stolze sechs Jahre über dem Höchstalter, mit dem man extrem günstige Karten für das Festival "Stars & Rising Stars" erwerben kann. An diesem Abend wäre der Komponist wiederum mit Abstand einer der Jüngsten gewesen, den über zehn Jahre älteren Rezensenten mit eingerechnet.
An sich ist es natürlich kein Problem, dass fast nur erfahrene Hörer im Künstlerhaus am Lenbachplatz gesichtet werden können. Gemessen am Anspruch des Festivals, die Jüngeren in die Konzerte zu locken, aber schon. Vielleicht sollte man die Karten für diese Klientel im Vorverkauf länger reservieren?
Reizvoller Kontrast
Auf der Bühne hingegen ist der Ausgleich der Generationen gewährleistet. Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer ist Jahrgang 1943, der Pianist Amadeus Wiesensee 50 Jahre jünger. Ein reizvoller Kontrast ergibt sich daraus, wie unterschiedlich beide auf Mozart zugehen. Brandauer liest aus Briefen von Vater und Sohn, die er in einen erzählerischen Rahmen stellt. Zu Beginn berichtet er aus der rückblickenden Perspektive des Abbé Bullinger, eines Freundes der Familie, den er mit melancholischer Weisheit darstellt.
Die Textzeugnisse Leopolds rezitiert er mit väterlicher Sorge, bei den verspielten Briefen Wolfgangs öffnet er sein gesamtes Repertoire: Sprecherisch virtuos lässt er die Kaskaden köstlicher Wortspiele sprudeln, doch auch der Verdruss angesichts ausbleibender Erfolge und die fast erstaunte Trauer über den Tod der Mutter werden nachfühlbar.
Vom Übermut des Briefeschreibers
Zu dieser schauspielerischen Freiheit im Umgang mit dem Material setzt Amadeus Wiesensee mit seinem strengen Spiel einen Kontrapunkt. Die einzelnen Sätze der Klaviersonate Nr. 11 A-Dur, die zwischen die Rezitationen eingefügt sind, holen in der fast keuschen Art, wie Wiesensee gesangliche, empfindsame, aber auch wirkungsvolle Passagen wie die Schlagzeugeffekte im populären "Rondo alla turca" wiedergibt, den Übermut des Briefeschreibers musikalisch immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Erst am Schluss, in der verklärenden Bearbeitung von Mozarts "Ave verum corpus" durch Franz Liszt, gestattet er sich stärker wirkende Sinnlichkeit und Emotion. Vielleicht könnte sich Wiesensee momentweise ein wenig mehr an schauspielerischer Verve von Brandauer abschauen. Ein solches Lernen von den Großen wäre ja durchaus im Sinne des Festivals - ebenso wie die Öffnung für jüngere Publikumsschichten.
Zwei Konzerte des Festivals finden (hoffentlich) noch statt, Informationen auf www.starsandrisingstars.de, Karten unter 089/54 81 81 81 oder www.muenchenticket.de.
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