Interview

Josef E. Köpplinger: Unterhaltung mit Haltung

Josef E. Köpplinger über seine Inszenierung der "Fledermaus" und den Streit über das Blackfacing nach der "Jonny"-Premiere.
von  Robert Braunmüller
Josef E. Köpplinger ist seit zehn Jahren Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz.
Josef E. Köpplinger ist seit zehn Jahren Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz. © Zach

Bis Silvester sind's noch ein paar Tage, der Fasching ist auch schon vorbei. "Die Fledermaus" von Johann Strauss ist aber mehr als Saisonware. In einer Neuinszenierung von Josef E. Köpplinger, die bereits im Januar in Florenz zu sehen war, kehrt die unverwüstliche Operette nun wieder ins Gärtnerplatztheater zurück. Die musikalische Leitung hat der Chefdirigent Anthony Bramall.

Intendant Josef E. Köpplinger im AZ-Interview

Josef E. Köpplinger wurde 1964 in Hainburg an der Donau geboren. Er absolvierte in New York, London und Paris eine Ausbildung zum Schauspieler und Pianisten. Seit 1990 arbeitet er als Regisseur. 2012 wurde er Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz

AZ: Herr Köpplinger, Sie sind jetzt in der zehnten Saison Intendant des Gärtnerplatztheaters. Warum haben Sie so lange gezögert, eine neue "Fledermaus" herauszubringen?
JOSEF E. KÖPPLINGER: Das hat mit dem verspäteten Wiedereinzug nach der Renovierung zu tun. Natürlich ist die "Fledermaus" eines unserer Pflicht- und Wunschstücke, aber wir hatten noch eine Reihe ähnlich wichtiger Operetten im Spielplan - wie die "Lustige Witwe".

Mögen Sie die "Fledermaus" womöglich nicht?
Im Gegenteil, ich habe einen starken persönlichen Bezug. Mein Mann ist dort aufgewachsen, wo Johann Strauss diese Operette komponiert hat. Das Haus in der Maxingstraße ist im Besitz der Familie Prohaska.

Die bürgerliche Welt ist aus den Fugen: Caspar Krieger (Dr. Blind), Jennifer O'Loughlin (Rosalinde) und Daniel Prohaska (Gabriel von Eisenstein).
Die bürgerliche Welt ist aus den Fugen: Caspar Krieger (Dr. Blind), Jennifer O'Loughlin (Rosalinde) und Daniel Prohaska (Gabriel von Eisenstein). © Christian P. Zach

Trotzdem: Diese Operette gilt als schwierig.
Ich schätze die Tradition des schnellen französischen Lustspiels und österreichischen Schwanks, in der eine sich moralisierende Gesellschaft bloßgestellt wird. In dieser Tradition steht die "Fledermaus". Als ich die Operette zum ersten Mal mit Mitte zwanzig in Regensburg inszeniert habe, hatte ich schon die Hosen voll. Damals machte ich einen Fehler, den ich heute zu vermeiden versucht habe: eine zu lange Fassung mit zu vielen Gags. Außerdem hatte ich ein Frosch-Problem.

"Fledermaus"-Premiere im Staatstheater am Gärtnerplatz

Worin besteht das Problem dieses Gefängnisdieners im dritten Akt?
Man sollte ihn meiner Ansicht nach nicht mit einem Kabarettisten besetzen. Außerdem extemporieren sich viele Darsteller zu Tode. Ich möchte es bei der Figur belassen.

Was passiert vor dem dritten Akt?
Hier täuscht jeder jeden: Eisenstein betrügt seine Frau, sie - bei uns eine ehemalige Operettendiva - empfängt, wenn der Mann aus dem Haus ist, ihren Liebhaber. Um nicht gestört zu werden, hat sie bei uns ihre Kinder zum Skifahren geschickt.

Das klingt jetzt mehr nach Ibsen oder Strindberg. Ist es trotzdem lustig?
Das Publikum erträgt den Spiegel leichter in der Form einer Komödie.

Daniel Prohaska, Ihr Eisenstein, ist ein Tenor. Die Rolle wird oft von einem Bariton gesungen.
Eisenstein ist nicht der erste Tenor dieser Operette. Das ist Alfred. Eisenstein ist als Verlierer eher eine Charakterrolle. Er landet am Ende im Gefängnis, während Rosalinde mit Alfred nach Hause geht.

Alfred sitzt allerdings einen ganzen Akt lang für Eisenstein im Gefängnis und hat deshalb nicht viel zu singen.
Doch: das Finale im ersten Akt, das große Terzett im dritten Akt.

"Fledermaus" mit komplizierter Vorgeschichte

Die Handlung hat eine komplizierte Vorgeschichte. Wie gehen Sie damit um?
Die Geschichte mit der Kostümierung von Dr. Falke als Fledermaus und Eisensteins als Zitronenfalter ist heute nicht mehr verständlich. Der Zitronenfalter hatte sozusagen ein Separée dabei: Das war die Einladung zu einem Seitensprung. Wir haben uns überlegt, wie wir die Schlüpfrigkeit beibehalten und haben daher ein Vorspiel auf einem Theaterball erfunden, bei dem Dr. Falke halbnackt und betrunken auf der Bühne zusammenbricht.

Der Dr. Falke bleibt immer ein wenig blass.
Er ist ein Hausfreund bei Eisenstein. Steht er vielleicht auf Rosalinde? Wir haben ihn eher asexuell gezeichnet, mit einer Nähe zum überlebten Prinzen Orlowsky. Sein Fest ist der Treffpunkt der Bussi-Bussi-Gesellschaft, die sich von dem Fest mehr erwartet, als die Veranstaltung eigentlich hergibt. Falke und Orlowsky sind beide innerlich frustriert, vielleicht leben sie ein ungelebtes Leben - jedenfalls haben sie einen Berührungspunkt.

Sie haben mit zwei Besetzungen geprobt.
Beide haben ihre Qualitäten. Coronabedingt haben wir auch gemischt probiert. Beide Frösche bringen das typische Idiom mit, und es ist eine große Geste der Uneitelkeit, dass sie sich mit aktuellen Einlagen zurücknehmen. Ich versuche, die "Fledermaus" als Unterhaltungsstück zu machen, aus voller Brust und mit ganzer Seele.

Die 1874 in Wien uraufgeführte "Fledermaus" spielt eigentlich in der Gegenwart ihrer Entstehung. Haben Sie das beibehalten?
Ich fand ein Jahr sehr interessant, und zwar zufällig vor genau 100 Jahren, nach dem Zerfall der Monarchie kam es zu einer gesellschaftlichen Spaltung. Ein Teil der Leute wollte die anarchistische Freiheit und ist auf diesem Weg in die Diktatur gelangt. Deshalb gibt es im dritten Akt ein drehbares Bild, auf dem vorne ein österreichischer Bundeskanzler und hinten der Kaiser abgebildet ist.

Ich fürchte, viele Leute wollen gar nicht die "Fledermaus" sehen, sondern die bewährten Witze wie "Herr Direktor, wir sind eingemauert". Muss man die machen?
Es wäre zu einfach, alles was funktioniert, nur weil es Tradition hat, zu ersetzen.

Auch Ballett wird bei der "Fledermaus" zu sehen sein

Gibt's auch Ballett?
Ja, aber die originale Ballettmusik bremst das dramaturgische Tempo. Die Polka "Unter Donner und Blitz" ist dagegen kurz und knackig. Sie ist auch dramaturgisch ein Gegensatz zu Orlowsky, der diese Hingabe ebensowenig erträgt wie die "Dui-Du"-Verbrüderung.

Blackfacing wird weggelassen: Das ist der Grund

Apropos Verbrüderung: Sie hatten zuletzt Ärger wegen "Jonny spielt auf". Warum haben Sie nach der Kritik das Blackfacing weggelassen, statt zu der Aufführung zu stehen?
Als Josef Köpplinger hätte ich nichts geändert, als Staatsintendant musste ich das tun. Mein Haus schrammt und kracht an allen Ecken wegen Corona. Da muss ich überlegen, welche emotionalen und psychischen Belastungen ich dem Ensemble zumuten kann. Daher wollte ich sehen, wie die Inszenierung wirkt, wenn ich die Darstellung des Blackfacing weglasse. Der Regisseur Peter Lund war auch dafür. Die Aufführung hat nichts verloren.

Hätte man angesichts der verbreiteten Kritik am Blackfacing die Aufführung nicht besser begleiten müssen - etwa durch Gespräche?
Wir wollten ein Krenek-Symposium veranstalten, das an Corona gescheitert ist. Aber ich finde generell: Unser Beitrag zu Debatten und Auseinandersetzungen ist die Theateraufführung, nicht die Begleitveranstaltung. Da trifft sich nach meiner Erfahrung immer nur ein Inner Circle. Eine Breitenwirkung geht von so etwas nicht aus. Ich stehe nach wie vor dazu, dass unsere "Jonny"-Inszenierung eine kritische Auseinandersetzung mit Blackfacing und Rassismus darstellt. Selbstverständlich akzeptiere ich die Kritik, aber ich erwarte auch von der Gegenseite jene Toleranz, die sie selbst einfordert.


Premiere, Donnerstag, 19.30 Uhr. Wieder am 10., 14., 23. und 29. April sowie im Juni. Karten online und unter 089 2185 1960

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