John Crankos "Romeo und Julia" in neuer Besetzung

Nicht alles klappt bei Crankos „Romeo und Julia“ am Bayerischen Staatsballett. Doch die Hauptdarsteller sind stark, die Aufführung macht Lust auf mehr
von  Vesna Mlakar
© Wilfried Hösl

Enorme Leistung zum Spielzeitbeginn: drei Handlungsballette und ein dreiteiliger Abend in nur sechs Wochen. Mit welcher Intensität, welchem körperlichem Einsatz müssen Tänzer hierfür Tag für Tag proben und ihr Schritt-Gedächtnis trainieren! Seit Ende September folgen die Wiederaufnahmen beim Bayerischen Staatsballett Schlag auf Schlag. Nun war John Crankos „Romeo und Julia“ an der Reihe, ein Repertoire-Markstein der Kompanie: Jürgen Rose hatte die getanzte Shakespeare-Adaption vor 48 Jahren ausgestattet.

Hochdramatische, dabei völlig natürliche Emotionen prägen die Choreographie über drei Akte hinweg, und sie ist voller schauspielerischer Herausforderungen. In den Titelpartien trat erstmals das bestens aufeinander eingespielte Solistenpaar Maria Shirinkina und Vladimir Shklyarov aus St. Petersburg auf. Ihre Persönlichkeiten und ihre geschliffene Technik bescherten dem Publikum eine fulminante Aufführung. Und sie steigerten sich voll in die Charaktere ihrer Rollen hinein – bis zu deren tragischen Selbsttötung.

Shirinkina entfaltete zuerst kindlichen Liebreiz, lautlos und flink. Dass ihre Julia den Mann ablehnt, den ihre Eltern für sie vorgesehen haben, spiegelte sich im Kräuseln auf ihrer Stirn wider. Beim nächtlichen Stelldichein durfte sie Romeo, den Shklyarov rückhaltlos überschwänglich verkörperte, schlichtweg überrumpeln. Als Julia zur Heirat mit Paris gezwungen wird, zeigte die zierliche Ballerina dann ihr starkes, realistisch-dramatisches Potenzial.

In Technik wie Ausdruck derart exzellente Interpreten wie Shirinkina und Shklyarov lassen bei den Liebesduetten etwas vom choreographischen Ringen Crankos um den richtigen Zusammenfluss der impulsiven Bewegungen und ihrer gefühlten Emphase aufscheinen.

Da mitzuhalten, ist schwer. Ohne das nötige Quäntchen Hingabe bleibt Graf Paris blass. Adam Zvonar spielte ihn arg verhalten. Matej Urban, mit der Partie des Bösewichts Tybalt bereits vertraut, präsentierte ihn brüsker als gewohnt und mit mehr aristokratischer Arroganz.

Tybalts draufgängerischer Gegenspieler war Jonah Cook als Mercutio. Dass Ballettchef Igor Zelensky ihn in die Solopartien pusht, bekommt ihm augenscheinlich gut. Bereits am 11. November soll er an der Seite von Ksenia Ryzhkova in der männlichen Hauptrolle debütieren. Noch verhedderten sich Cooks lange Beine fast bei den schnellwendigen Ausfallschritten zwischen den Double-Tour-Serien, die er im Trio mit Dmitrii Vyskubenkos alert-leichtfüßigem Benvolio und Shklyarovs Romeo tanzte.

Cranko aufzuführen – und das machte diese Neueinstudierung sehr deutlich – ist eine Kunst für sich. Zu Prokofjews Musik (einfühlsam am Pult: Robertas Servenikas) stürzte sich das Ensemble ausgelassen ins bunte Veroneser Markttreiben. Nicht alle Hingucker konnten da auf Anhieb klappen.

Es erfordert Routine, sich inmitten solchen Herumgewirbels seitlich Hüfte an Hüfte sauber anzuspringen. Eines jedoch wurde klar: Die Power stimmt. Hier wächst eine Kompanie zusammen, die große Lust macht, ihr weiter zuzusehen. 

Bayerisches Staatsballett im Nationaltheater, nächste Aufführungen am 11., 12., 21. November, 9. Dezember, 19.30 Uhr, Karten unter Telefon 2185 1920

 

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