Johannes Rieder über "Gott des Gemetzels" auf bairisch
Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“ ist eines der erfolgreichsten Bühnenstücke der Gegenwart. Was liegt da für eine bayerische Theatergruppe näher, als es auch mal in Mundart auf die Bühne zu bringen? Eben. Aber: Die Autorin ist angeblich dagegen. Hier erzählt der Regisseur Johannes Rieder, wie er es trotzdem geschafft hat.
AZ: Herr Rieder, wenn Sie am Mittwoch Premiere mit „Der Gott des Gemetzels“ auf Bairisch haben, geht eine Reise zu Ende, die 2011, vor rund sieben Jahren, begonnen hat. Was hat so lange gedauert – Sie wollten ja eigentlich nur ein Theaterstück machen. Auf Bairisch.
Johannes Rieder: Sebastian Edtbauer und ich haben damals in Bern gearbeitet, er als Schauspieler, ich als Regisseur. Wir kannten uns von der Falckenberg-Schule. Da hat Sebastian gesagt: Es wäre doch eine tolle Idee, wenn man eine bairische Übersetzung von einem eigentlich gar nicht bayerischen Stück macht. Wir wollten weg von diesem bierdimpfligen Lederhosenzeugs. Wir hatten auch schnell das Team im Kopf.
Das waren sie fünf – Sebastian Edtbauer, Ina Meling, Cornelia Pollak, Matthias Ransberger und Sie selbst?
Genau. Wir dachten, wir können gleich ein paar Tage später anfangen zu proben. Wir wollten nur noch kurz nach den Rechten fragen. Und da hat der Rechteinhaber für Deutschland einfach gesagt: Yasmina Reza hat es generell verboten, dass ihre Stücke in Mundart übersetzt werden.
Ärgerlich. Warum sollte es unbedingt „Der Gott des Gemetzels“ sein?
Das Stück ist wahnsinnig situativ, es hat eine unglaubliche Sprachkomik, Sprachstärke, sehr gut gebaut. Und es ist sehr direkt. Das sind alles Dinge, die auch wunderbar in Mundart funktionieren. Das Bairische wirkt ja manchmal etwas schwer und krachert.
So denkt man zunächst!
Genau. Denn es geht so was von gegen das Klischee, wenn man dieses elegante, französische, sehr stylische Stück kombiniert mit dem bairischen Dialekt – der genauso stylisch und schnell und scharf sein kann! Dann geht man eben nicht so auf das Schenkelklopfen, sondern auf die Feinheit und die Schärfe, die Direktheit.
Aber der Rechteinhaber hat nein gesagt. Was haben Sie dann gemacht?
Wir haben andere Stücke gesucht, aber es hat uns nichts so richtig angesprochen. Da haben wir gesagt: Die soll sich nicht so anstellen: Wir schreiben Yasmina Reza jetzt einen Brief! Wir dachten, da passiert sowieso nichts. Aber ein paar Wochen später hatten wir das Okay vom Verlag.
Dann hätten Sie also anfangen können – warum kam es nicht dazu?
Alle Schauspieler sind auch im BR-Komödienstadel dabei, und irgendwie hat das einer der BR-Redakteure mitbekommen und war scharf drauf.
Aber doch wohl kaum für den Komödienstadel, das dürfte doch so ziemlich das Gegenteil dessen sein, was Frau Reza sich wünscht.
Nein, nicht für den Stadel. Aber es ging an den BR, dann kam auch noch eine Filmproduktionsfirma dazu. Auf einmal war das Projekt viel größer geworden als geplant. Weil es aber jetzt um Filmrechte ging, haben wir gedacht: Wir rufen doch lieber noch mal den Rechteinhaber an. Und der sagte: Jetzt ist endgültig Schluss! Der Stoff wurde nämlich verfilmt von Roman Polanski, und der hat damals verfügt, dass es weltweit nicht noch einmal verfilmt werden darf.
Irgendwer sagt offenbar immer nein. Sie haben aber immer noch nicht aufgegeben?
Nein, wir haben gedacht, wenn Frau Reza uns schon schreibt, dann schreiben wir jetzt auch nach Hollywood. Der Brief ging an irgendwelche Rechtsanwaltskanzleien in Los Angeles – da kam nicht mal eine Antwort. Danach war bei uns die Luft raus. Irgendwie war uns das alles zu blöd.
Da waren Sie ja auch schon seit dreieinhalb Jahren hinter der Umsetzung des Stoffes her.
Und wir hatten ja in der Zwischenzeit auch noch andere Projekte. Aber wir sind auch privat miteinander befreundet, und es hat uns doch nicht so ganz losgelassen. Und jetzt haben wir also gesagt: Wir wollten ein Theaterstück machen, wir haben die Rechte von der Reza – dann machen wir es doch!
Zurück zur Ursprungsidee.
Wir proben mit Unterbrechungen seit November. Und es macht wahnsinnigen Spaß!
Aber funktioniert denn dieses Oberschicht-Gemetzel, bei dem die bürgerlichen Masken nach und nach fallen, mit bairischem Dialekt? Spricht diese Schicht bairisch?
Das ist eine Qualität von Yasmina Reza, weil sie einfach Menschen beschreibt. Der Dialekt hat so viel Spielraum, dass man das Stück absolut in die Oberschicht und zum Designersofa hin machen kann. Masken fallen ist übrigens ein gutes Stichwort: Ich finde, die Maskierung ist beim Hochdeutschen stärker, die Sprache maskiert mehr, als es der unmittelbare Dialekt tut. Und die Schauspieler spielen alle mit der Sprache, mit der sie aufgewachsen sind.
Mussten Sie eigentlich die Übersetzung noch mal jemandem vorlegen?
Das war lustig: Wir haben den Text an den Rechteinhaber geschickt. Der spricht aber offenbar nur hochdeutsch und hat beim Lesen kein Wort verstanden.
Dialekt lesen ist ja aber auch schwer.
Er hat sich dann von seiner Sekretärin einige Passagen vorlesen lassen und dann mitgeteilt, er habe sehr gelacht.
Premiere Mittwoch, 20 Uhr, Heppel und Ettlich (Feilitzschstraße 12), weitere Aufführungen Freitag, Samstag, Sonntag, 20 Uhr, Karten (19 Euro) Telefon 38 88 78 20
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