Janáceks "Jenufa", inszeniert von Peter Konwitschny
In den frühen Neunzigern sprang er als wilder Tiger durch den Opernbetrieb. Sein „Parsifal“ und der „Tristan“ an der Bayerischen Staatsoper waren anfangs hochumstritten, heute sind sie Klassiker. Und nun ist der Peter Konwitschny ganz als braver Bettvorleger gelandet.
Das Augsburger Theater übernahm seine Grazer Inszenierung von Leos Janáceks Oper „Jenufa“. Es ist ein hartes, aber doch mit Hoffnung endendes Bauerndrama: Die Küsterin bringt den unehelichen Sohn ihrer Ziehtochter um, um deren Chancen auf eine gute Partie nicht zu schmälern. Eine heftige Geschichte, wie geschaffen für jene Hassliebe, die Konwitschny seinen Opernfiguren entgegenbringt.
Den sozialen Druck erzählt Konwitschny nicht
Der Kindsvater Stewa (Ji-Woon Kim) säuft vielleicht ein wenig mehr als in einer ganz traditionellen Inszenierung. Und im ersten Akt wurde öfter mit Kartoffeln herumgeworfen als nötig. Doch mehr Regietheater war nicht, dafür viel solides Handwerk und eine schnörkellos erzählte Geschichte.
Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn die Atmosphäre stimmen würde. Aber die Bäuerinnen tragen allerliebst geblümte Leinenkleider wie in der „Verkauften Braut“. Auf Johannes Leiackers Bühne hätte man vor 20 Jahren einen melancholischen Tschechow gespielt. Der soziale Druck und die Enge des Dorfes kamen nicht vor, und damit fehlte die Voraussetzung für das Drama, ohne dass sie durch etwas anderes Neues ersetzt worden wäre. Natürlich kultivierte Konwitschny seine Markenzeichen: Bei Jenufas Monolog im zweiten Akt kam die Solovioline (Jehye Lee) als zweites Ich der verzweifelten Protagonistin auf die Bühne. Das wirkte ein wenig kitschig. Und der Vorhang schloss sich halb bereits vor dem Schluss-Duett: Immerhin, Konwitschny misstraute der mühevoll errungenen Versöhnung nicht ganz.
Janáceks Leuchten
Es ist gewiss nicht einfach, Janáceks abgründige Menschenliebe angemessen zu inszenieren, aber ein wenig näher an ihre Grenzen dürfte eine Inszenierung die Figuren schon führen. Ähnliche Kompromisse ging der Dirigent Dirk Kaftan im Orchestergraben ein: Die Augsburger Philharmoniker betonen anfänglich die mährische Folklore. Janáceks Härten und das Leuchten seiner Musik kamen erst im dritten Akt deutlicher heraus.
Kerstin Deschers Schärfen passen zur Küsterin, und drumherum gibt es in Augsburg eine gute Ensembleleistung zu bestaunen. Die sonst zu großen Gesten neigende Sally du Randt wirkte als Darstellerin beträchtlich gereift: Man nahm am Anfang der Oper ihrer Jenufa wirklich ab, dass sie eigentlich Lehrerin werden möchte.
Der Applaus im Augsburger Theater war am Ende des durch zwei Pausen arg in die Länge gezogenen Abends freundlich, gar dem Jubel nah. Widerspruch gab’s keinen. Auch für Peter Konwitschny vielleicht eine neue Erfahrung.
Wieder am 23.9., 28.9. und im Oktober, Telefon 0821 324 4900