Ist die FPÖ mausetot? Oder wird sie wieder salonfähig?

Ibiza, Strache und der Blues: Ein Gespräch mit der Austro-Legende Willi Resetarits, der einst Ostbahn-Kurti war.
von  Thomas Becker
Willi Resetarits.
Willi Resetarits. © Lukas Beck

Der Musiker und Menschenrechtsaktivist Willi Resetarits, wird den Wahlabend am Sonntag im Lustspielhaus verbringen. Dort spielt er mit Ernst Molden, Walther Soyka und Hannes Wirth Folk, Country und Blues - abr natürlich wird es auch viel zu erzählen geben über den zustan der Welt und Österreich im besonderen.

AZ: Herr Resetarits, derzeit ist es unmöglich mit einem Österreicher nicht über Ibiza zu sprechen. Jeder fragt sich, welcher brillante Schalk hinter dem Strache-Video steckt? Wollen Sie an dieser Stelle ein Geständnis ablegen?
WILLI RESETARITS: Ich bin es nicht gewesen, bin aber den Produzenten des Videos sehr dankbar, weil die kritische Opposition in Österreich es nicht geschafft hat, die unseligen Freiheitlichen, die bei uns ja in der Regierung sitzen, zu entlarven. Vizekanzler Strache hat Sachen gesagt, die uns nicht überrascht haben. Aber dass jemand so blöd ist, das so offen zu bekennen....

Was war Ihre erste Reaktion auf das Video?
Zunächst war ich fassungslos, dann reserviert. Man soll nicht gleich in Jubelgebrüll ausbrechen, sondern sich das vorsichtig anschauen. Die Erleichterung ist dann aber immer mehr gekommen. Unglaubliche Sachen, die der Herr von sich gegeben hat! Aber alles geht ja genau in die Richtung, die diese Partei auch wirklich betreibt: demokratische Errungenschaften abschaffen, die freie Presse knebeln: wie Viktor Orbans Regime in Ungarn. Aber das leugnen sie ja gleichzeitig. Sie betreiben das scheibchenweise, sagen aber: „Das machen wir ja nicht!“ Das ist vergleichbar mit dem Wilderer, den der Jäger mit dem Reh auf der Schulter erwischt, und der Wilderer sagt: „Ich hab’ kein Reh auf der Schulter! Ich weiß gar nicht, was Sie haben.“ So ähnlich agieren die Populisten und die Freiheitlichen, die historisch in Europa eine Führungsrolle innehaben, was den rechtsradikalen Populismus betrifft.

Wie ertragen Sie das schon so lange?
In den letzten Jahrzehnten gab es ja immer auch begrüßenswerte Aufstände der Zivilgesellschaft, mit Hunderttausenden Demonstranten: zunächst gegen Jörg Haider, dazu ein „Lichtermeer“ am Heldenplatz. Als die rot-blaue Regierung angetreten ist, waren auch ein paar Hunderttausend am Heldenplatz. Unseeligerweise hat man von diesem Platz 1938 Hitler zugejubelt. Ich bedauere nur, dass man an diesem Abend die, die ängstlich Zuhause geblieben sind, nicht gesehen hat, sondern nur die, die frenetisch gejubelt haben. Aber der Makel klebt an diesem Platz. Wir haben dann beschlossen, genau dort unsere demokratischen Errungenschaften zu verteidigen, um dem etwas entgegenzusetzen.

Gibt es denn Aussicht auf Besserung?
Es gibt das Phänomen, dass sich die freiheitliche Bewegung, angefangen mit Jörg Haider, immer wieder in die Luft gesprengt hat – angefangen durch den Narzissmus seitens Jörg Haiders. Der „unaufhaltsame Aufstieg“ wurde im Laufe der Jahrzehnte immer wieder zurückgeworfen. Jetzt sieht man den nächsten Baustein, wo man sich denkt: Wie dumm kann man sein? Wir müssen aber bedenken: Sehr bald gewinnen die ihre Wählerschaft wieder zurück. Bei diesen neuen rechten Bewegungen – wenn wir Trump dazunehmen – gibt es eine Wählerschaft, die resistent ist gegen Argumente und die Welt anders sehen will: Stichwort „Fake News“.

Ihre Kollegin Gayle Tufts hat wegen Trump Ihren US-Pass zurückgegeben, um Deutsche zu werden. War Flucht nie eine Alternative für Sie?
Für mich nicht. Ich bin einer, der sich immer wieder aufregt und aus dem Fenster lehnt, wenn es notwendig ist. Da kann man aber alleine nichts machen, da muss man sich zusammenschließen zum Beispiel in Kundgebungen. So wie am Abend, als das Video publik wurde, als sich Tausende vor dem Bundeskanzleramt eingefunden und ein bisschen gefeiert haben – was ihnen zusteht. Man darf sich aber nicht zu lange freuen. Nicht dass noch ein dickes Ende nachfolgt. Wir wissen es nicht!

Strache müsste aber politisch mausetot sein.
Er hat bei seiner Rücktrittsrede kurz seine Dummheit eingestanden, aber hauptsächlich – an seine Anhänger gerichtet – sich beklagt und gejammert, dass er Opfer einer Verschwörung wurde und hat den Jetzt-erst-recht-Gedanken breit ausgewalzt. Das war eindeutig adressiert an seine Wählerschaft, die möglicherweise unbelehrbar ist. Wir werden am Sonntagabend mehr wissen, wie sich das in Österreich auf die Europa-Wahl auswirkt. Man hofft natürlich auf den Teil der Wähler der Freiheitlichen, die überhaupt noch belehrbar sind. Wir leben ja in komplizierten Zeiten, wo es schwer ist für die Demokratie, weil viele Menschen diese Errungenschaft offenbar nicht einzuschätzen wissen. Weil wir schon so lange keinen Krieg mehr hatten, geht man auch mit dem Gedanken an eine kriegerische Auseinandesetzung zu sorglos um. Das ist dem Kanzler Kurz zum Vorwurf zu machen, dass er die Freiheitlichen wieder salonfähig gemacht hat – und möglicherweise wieder machen wird.

Dagegen muss doch so ein Abend im Lustspielhaus mit Ernst Molden für Sie so erholsam wie ein Fußbad sein.
Wir werden wohl keinen ganzen Abend zum Thema Ibiza machen können. Aber dass wir so tun, als wäre da nicht gewesen, das wird uns auch nicht gelingen. Aber es sollte schon auch ein Abend sein, wo man Freude hat. Die darf man ja wohl haben, wenn die Freiheitlichen so entzaubert sind.

Ein ganz anders schräges Phänomen ist der Grand Prix , an dem Sie mit Ihrer Band Schmetterlinge 1977 teilgenommen haben. Mit bescheidenem Erfolg: elf Punkte, vorletzter Platz. Schauen Sie sich so was heute noch an?
Nein. Dieser Grand Prix ist immer totgesagt worden, geht aber ungebrochen weiter. Das ist so, aber ich muss ja nicht zuschauen. Wir haben damals teilgenommen, weil wir das Geld brauchten.

Gab’s da so viel zu holen?
Wir waren als linksradikale Gruppe gerade von allen Österreich-Ablegern der Major-Labels entfernt worden. Es war Kalter Krieg, und viele US-Labels wollten uns nicht unterstützen. Dann kam unverhofft das Angebot am Song Contest teilzunehmen: Da haben sich plötzlich wieder die Plattenfirmen interessiert. Denn wenn Geld winkt, ist es mit den Prinzipien nicht so weit her. Dann haben wir den Deal gemacht, dass wir unser Hauptwerk, die „Proletenpassion“, aufnehmen dürfen, im Gegenzug dafür gibt’s die Song-Contest-Hymne. Wir haben uns von Anfang an mit diesem Deal gebrüstet, weil das ja auch ein Teil der Kritik an der Plattenindustrie war.

Ein Lehrstück sozusagen.
Wir haben kein Geld gebraucht, um reich zu werden, sondern um eine Platte zu produzieren und ein kleines Tonstudio aufzubauen. Selber sind wir nicht reich geworden, aber wir haben auch nicht am Hungertuch genagt – und das ist das wohl das Schönste, was ein Musiker haben kann. Ich habe eine wunderbare Karriere hinter mir – nach zehn Anfangsjahren, wo ich nicht mehr weiß, wovon ich gelebt habe. Danach hat’s immer genug Geld gegeben. Ich bin auch der Peinlichkeit enthoben worden, dass ich mir Geldanlagen überlegen muss, weil nie zu viel übrig war. Das finde ich rückblickend genial.

Im Dezember sind Sie 70 geworden.
Pension heißt für mich, dass ich mir gestatte, das zu tun, was mir Freude macht, weil ich nicht mehr Karriere-Plänen folge – die hab’ ich eh nie gehabt. Ich habe sozusagen keine Pflichten, sondern nur den Luxus schöne Sachen zu machen. Das ist meine Pension, und da ist sehr viel zu tun.
    
Lustspielhaus, 26. Mai, 20 Uhr, Abendkasse, 34 Euro

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