Interview mit der Sopranistin Barbara Hannigan

Als hätte Bernd Alois Zimmermann die Marie für sie komponiert: Barbara Hannigan singt in den „Soldaten“ im Nationaltheater. Dirigieren kann sie auch.
von  Robert Braunmüller

Sie singt Musik des 20. Jahrhunderts wie Belcanto. Vor drei Jahren debütierte sie als Dirigentin. Ab Sonntag steht Barbara Hannigan als Marie in Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“ auf der Bühne des Nationaltheaters. Kirill Petrenko hat die musikalische Leitung, Andreas Kriegenburg inszeniert.

AZ: Frau Hannigan, angenommen, Kirill Petrenko würde am Sonntag plötzlich krank – könnten Sie einspringen?

BARBARA HANNIGAN: Nein, auf keinen Fall. Die „Soldaten“ sind eine hochkomplexe Partitur. Es war sehr inspirierend, mit Kirill Petrenko zu arbeiten: Ich habe in jeder Probe viel über Musik und musikalische Partnerschaft gelernt.

Wie sind Sie zum Dirigieren gekommen?

René Bosc, der langjährige Leiter des Pariser Festivals „Présences“, brachte mich darauf. Er sagte: „Du singst wie ein Dirigent.“ Ich war etwas erstaunt, aber er wollte mein Debüt organisieren und hat Strawinskys „Renard“ vorgeschlagen. Auf das Konzert folgten gleich Angebote. Ich habe mittlerweile in Göteborg, beim WDR und in Prag dirigiert, im August leite ich das Mahler Chamber Orchestra beim Lucerne Festival. Das ist Teil meines Lebens geworden.

Dirigierende Sänger sind selten – außer Ihnen fällt mir nur Plácido Domingo ein. Sie singen aber in Ihren Programmen auch noch.

Fünf Tage, bevor die Proben für die „Soldaten“ begannen, habe ich im Amsterdamer Concertgebouw erst ein Solo von Luigi Nono gesungen und mich dann umgedreht und Joseph Haydns Symphonie „La Passione“ dirigiert. Später gab es noch Konzertarien von Mozart und Strawinskys „Dances Concertantes“.

Wie sind Sie zur Neuen Musik gekommen?

Ich stamme aus einem Dorf an der kanadischen Ostküste in Neuschottland. Dort gab es hervorragende Musiklehrer. Mit 17 Jahren ging ich nach Toronto, wo ich nicht nur Mahler und Bruckner zum ersten Mal gehört habe, sondern auch Ligeti, Kagel oder Boulez. Seit ich 19 bin, lebe ich vom Singen. Ich habe mich nie darum gekümmert, ob Musik alt oder neu ist. Und ich möchte jeden Tag besser werden.

Sie hatten voriges Jahr viel Erfolg als Agnés in George Benjamins „Written on skin“ im Prinzregententheater. Haben Sie den Riesenerfolg dieser Oper erwartet?

Als ich die Partitur bekam, erschien sie mir recht normal. Bei den Proben setzte sich dann alles zusammen, und alle Beteiligten merkten: Das ist ein ganz besonderes Stück. Es sprach sich auch in ganz Aix-en-Provence herum, so dass die Uraufführung ausverkauft war. Es ist eine Oper, bei der alles stimmt: die Musik, die Geschichte und die Inszenierung.

Ist es schwer, sich eine Rolle wie die der Marie zu merken?

Ja, schon. Ich trage jede neue Rolle als Gedächtnisstütze in verkürzter Form in ein kleines Heft ein. Wenn sich die Musik dann auf den szenischen Proben mit Gängen und Gesten verbindet, merke ich mir sie leichter. Vor allem der dritte Akt kommt mir vor, als hätte ihn Bernd Alois Zimmermann für mich komponiert.

Haben Sie die Rolle schon einmal gesungen?

Nein. Ich habe die Oper auch vorher nie gesehen oder gehört. Der Sonntag ist wie eine Uraufführung für mich.

Premiere am Sonntag, 19 Uhr, im Nationaltheater. Restkarten

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