Interview mit dem neuen Präsidenten Hans-Jürgen Drescher

Der neue Präsident der Bayerischen Theaterakademie über den Wandel in der Ausbildung für die Bühnenberufe
Robert Braunmüller |
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Seit Anfang September hat die Bayerische Theaterakademie August Everding einen neuen Präsidenten. Hans-Jürgen Drescher, der Leiter der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg in Ludwigsburg, folgt auf den langjährigen Präsidenten Klaus Zehelein.

AZ: Herr Drescher, was bleibt gleich, was wird sich ändern?

HANS-JÜRGEN DRESCHER: Ich muss hier das Pulver nicht neu erfinden. An der Bayerischen Theaterakademie wurde in der Vergangenheit sehr gute Arbeit geleistet. Man braucht nur die Jahrbücher der Zeitschriften Opernwelt oder Theater heute durchzublättern: Überall trifft man auf unsere Absolventen. Das ist eine gute Basis für eine Weiterentwicklung.

Wohin geht der Weg in den nächsten Jahren?

Wir stehen vor dem Problem, für ein Theater auszubilden, das es noch nicht gibt. Das Theater verändert sich rasant. Das klassische textbasierte Theater hat gegenüber dem performativen an Boden verloren. Viele Mischformen sind entstanden. Wie reagiert eine Ausbildungsstätte auf diese Veränderungen? Indem wir sie aktiv mitgestalten. Ich sehe die Theaterakademie als Forschungsstätte, in der auch die neuen digitalen Medien ihren Platz haben werden. Die Theaterakademie in Ludwigsburg hat eng mit der dortigen Filmakademie zusammengearbeitet. Die Dramaturgie-Studierenden haben beispielsweise mit ihren Kommilitonen des Animationsinstituts nicht nur neue interaktive Theaterformate, sondern auch Computerspiele entwickelt. In München kann ich mir eine fruchtbare Kooperation zwischen der Bayerischen Theaterakademie und der Hochschule für Fernsehen und Film vorstellen.

Ihr Vorgänger Klaus Zehelein hat beklagt, dass die studiengangübergreifenden Großprojekte im Prinzregententheater langsam unfinanzierbar werden. Die sind aber das große Schaufenster der Akademie.

Da ist etwas dran, die studiengangübergreifenden Produktionen sind weniger geworden. Aber es liegt auch daran, dass wir dem Gärtnerplatztheater in der Umbauphase eine Heimstatt bieten. Ich will wieder mehr Produktionen im Prinzregententheater zeigen. Aber nicht nur Musiktheater wie Antoine Mariottes „Salomé“, sondern auch Musical-Produktionen und vielleicht andere Formate, zum Beispiel Schauspielprojekte vor dem Eisernen Vorhang.

Die großen Opernproduktionen verleihen der Akademie einen Hauch von viertem Staatstheater.

Die jungen Sängerinnen und Sänger, die bei uns auf der Bühne stehen, kommen aus dem Master-Studiengang Musiktheater/Operngesang. Sie sind hervorragend, aber sie sind noch Studierende, auch wenn sie den Bachelor der Hochschule für Musik und Theater München oder einer internationalen Hochschule schon in der Tasche haben. Es wäre daher vermessen, mit der Bayerischen Staatsoper und ihren Stars konkurrieren zu wollen.

Wie wollen Sie sich dann positionieren?

Es hat auch für das Publikum einen eigenen Reiz, dabei zuzuschauen, wie junge Künstler unter professionellen Bedingungen wachsen und gedeihen. Das ist das Alleinstellungmerkmal der Aufführungen der Theaterakademie.

Ist der große Raum des Prinzregententheaters ein Problem?

Neulich hat eine Taxifahrerin etwas zu mir gesagt, das mich bewegt hat: „Das Prinzregententheater ist unser schönstes Theater“. Das Haus gehört zur Identität dieser Stadt. Hier erwartet man schon allein wegen der Immobilie und ihrer geschichtlichen Aura auch große Produktionen.

Gibt’s auch Standortnachteile?

Die Münchner sind zu Recht stolz auf ihre Stadt. Aber die hohen Lebenshaltungskosten sind für Studierende ein Problem. Fast alle wohnen in WGs oder außerhalb, weil es unmöglich ist, von 400 Euro Bafög 650 Euro für ein Zimmer zu zahlen. Stipendien können das Problem zwar lindern, aber es gibt genügend Studierende, die am Essen sparen müssen.

Wackelt Ihre Planung, wenn der Umbau des Gärtnerplatztheaters nicht rechtzeitig fertig wird?

Wir rechnen nicht mit dem schlimmsten Fall. Ich gehe davon aus, dass das Gärtnerplatztheater im Herbst 2016 beziehbar wird. Allerdings könnte auch ein Umbau des Gasteigs Auswirkungen auf uns haben, weil dann mehr private Konzertveranstalter bei uns Termine buchen wollen.

Warum steht ein Gerüst am Prinzregententheater?

Am Bühnenturm ist immer noch der originale Putz von 1901. Er löst sich an einzelnen Stellen. Das muss kontrolliert und gesichert werden. Aber die Substanz ist besser als beim Anbau aus dem Jahr 1947.

Ist es nicht schwierig, sich die Riesenschuhe von Klaus Zehelein anziehen zu wollen, der lange Jahre Intendant war und noch immer Präsident des Bühnenvereins ist?

Ich habe in den 80er Jahren bei Klaus Zehelein an der Oper Frankfurt gelernt und 20 Jahre den Suhrkamp Theater- und Medienverlag geleitet. Davor war ich Chefdramaturg in Gelsenkirchen und Mannheim. Ich unterrichte seit 20 Jahren an Hochschulen. Zuletzt habe ich drei Jahre lang die Theaterakademie in Ludwigsburg aufgebaut. Und ich bin gut vernetzt.

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