Interview mit Daniel Ott und Manos Tsangaris

Hans Werner Henze hat die Biennale 1988 gegründet, um neue Opern junger Komponisten aufzuführen. Von 1996 bis 2014 leitete Peter Ruzicka das Festival. Seine Nachfolger sind nun die beiden Komponisten Daniel Ott und Manos Tsangaris. Am Samstag beginnt ihre erste Biennale für zeitgenössisches Musiktheater.
AZ: Herr Ott, Herr Tsangaris, was ist neu, was wird bleiben, wie es ist?
DANIEL OTT: Die Biennale bleibt ein Festival, das nur Uraufführungen produziert. Wir nehmen Henze beim Wort: Im Fokus stehen junge Komponisten um die 30. Und wir sind sogar noch wörtlicher, weil auch die künstlerischen Teams im gleichen Alter sind.
MANOS TSANGARIS: Es darf nach wie vor sehr gerne gesungen werden. Wir haben Opern mit literarischer Basis im Programm. Aber das Musiktheater hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten gewandelt: Deshalb wird es auch Werke geben, die den Hörer auf einen Parcours schicken – in Gruppen oder einzeln. Auch eine inszenierte Autobusfahrt wird es geben. Und einen homöopathischen Flashmob als Intervention im öffentlichen Raum. Und eine Volksoper.
Was ist denn das?
OTT: Das Team hat ein Jahr lang Workshops mit Kursen der Volkshochschule durchgeführt. Es ging uns darum, den Stadtteil Haidhausen rund um den Gasteig mit zu bespielen.
TSANGARIS: Da sind auch ein Fotokurs und eine Volkstanzgruppe dabei.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als künstlerische Leitung?
OTT: Wir haben unser Team durch Komponisten, Musiker und Dramaturgen unserer Generation vergrößert, um den Blick zu erweitern. Viele Augen und Ohren sehen mehr. 2013 gab es eine nichtöffentliche Plattform, bei der wir das Thema „OmU“ vorgestellt haben und um Projektvorschläge gebeten haben. So sind etwa 70 Prozent der Arbeiten entstanden. Die übrigen haben wir konkret in Auftrag gegeben.
TSANGARIS: Wir haben versucht, die Künstler nicht zu gängeln, sondern zu mentorieren. Jede Produktion hatte Ansprechpartner vom Fach. Die kontinuierliche Begleitung und Hilfe stand im Vordergrund.
Sie betonen die Jugendlichkeit, aber es gibt auch ein Werk von Georges Aperghis, der 1945 geboren wurde.
OTT: Es muss immer eine Ausnahme geben. Aperghis hat mit anderen unser Verständnis von Musiktheater geprägt. Als wir ihm von unseren Plänen erzählt haben, hatte er ein Projekt für uns, das passte.
Was verbirgt sich hinter dem Motto „OmU“?
TSANGARIS: Oper ist eine vielsprachige Situation mit Übersetzungsvorgängen und damit verbundenen Friktionen. Der Titel wirft Fragen auf: Was ist ein Original im Musiktheater, in der Kunst. Es hätte auch Original mit Übertiteln heißen können: Es gibt kaum eine Oper mehr, die nicht übertitelt wird.
OTT: Die Eröffnungspremiere „Sweat of the Sun“ beruht auf den Tagebüchern von Werner Herzog bei den Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“. Sie sind sozusagen der Untertitel zu diesem Film, der in der Oper noch einmal kommentiert wird. Und darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem europäischen Belcanto-Gesang am Amazonas und die damit verbundenen vielschichtigen Spiegelungen.
Es heißt in der Szene, Sie seien nach Peter Ruzicka ein Sparprogramm?
OTT: Der Etat ist gleich geblieben. Die Stadt hat für die Plattform zusätzliches Geld gegeben. Wir haben uns um Drittmittel durch Stiftungen bemüht. Wir bringen 15 Produktionen – das ist nun wirklich kein Sparprogramm.
Trotzdem: Größere Räume wie das Prinzregententheater bespielen Sie nicht mehr.
OTT: Wir wollten das Festival verdichten. Es wird ein Festival-Zentrum vor dem Muffatwerk geben. Und von dort aus sollen alle Aufführungen fußläufig erreichbar sein: der Gasteig, das Volksbad, die Lothringer Straße. Das wird 2018 anders. Außerdem kondensieren wir das Programm auf 10 Tage.
TSANGARIS: Wir arbeiten mit sechs deutschen Opernhäusern zusammen. Und mit dem Münchner Volkstheater.
Was ist für Sie eigentlich Musiktheater?
OTT: Oper ist eine bestimmte Ausprägung in diesem großen Feld. Es ist jede Form von Dialog zwischen Theater und Musik.
TSANGARIS: Die unterschiedlichen Theaterformen funktionieren mit unterschiedlichem Treibstoff. Theater-Theater basiert stark auf Sprache und Literatur. Bei Musiktheater steckt immer eine Art von kompositorischem Denken dahinter. Es ist ein wunderbar offenes Feld.
Tanztheater spielt im Programm aber keine Rolle.
DANIEL OTT: In „Underline“ sind die Protagonisten Tänzer, aber es ist kein Tanztheater im Sinn von Reinhild Hoffmann oder Pina Bausch.
TSANGARIS: Eine Öffnung würde ich da nie ausschließen, aber ich persönlich habe ein großes Interesse an Komposition. Das ist ein Metier, das im Moment nicht gut dasteht. Es ist stark mit Klischees aus der Boulez-Nono-Stockhausen-Zeit verbunden. Deshalb würde ich trotz der Öffnung auf einer Trennschärfe gegenüber dem städtischen Dance- und Spielart-Festival beharren.
Welche klassische Oper haben Sie zuletzt gesehen?
TSANGARIS: Mozarts „Le nozze di Figaro“ und „Die Zauberflöte“ in einer Inszenierung von Achim Freyer in Dresden.
OTT: Ich habe zuletzt in Berlin in der Tischlerei der Deutschen Oper eine Uraufführung von Lefteris Veniadis gesehen. Davor Mascagnis „Cavalleria rusticana“ im Teatro Colon von Buenos Aires.
"Sweat of the Sun" nach „Eroberung des Nutzlosen“ von Werner Herzog, Sa., 18 Uhr, Muffatwerk, "if this then that and now what", Sa, 21 Uhr, Gasteig, Carl-Orff-Saal, Hundun, So., 18 Uhr, Muffatwerk
www.muenchenerbiennale.de, Karten in der Gasteig-Glashalle