In den Mühlen der Justiz – Der Fall Mollath auf der Bühne

Wie bei Kafka: Ein Theaterstück inszeniert den Fall Gustl Mollath als beklemmendes Gerichtsdrama.
von  Sebastian Kunigkeit

Wie bei Kafka: Ein Theaterstück inszeniert den Fall Gustl Mollath als beklemmendes Gerichtsdrama.

Wuchtig knallt der Holzhammer auf die Metallplatte, der scheppernde Klang unterstreicht das mit autoritätsgewohnter Stimme vorgetragene Urteil. Immer wieder rasselt der Richter sein Bürokratendeutsch herunter, routinierte Sätze, die ein Schicksal besiegeln: „Angeordnet“ – wumm. „Nicht zulässig“ - wumm. „Abgelehnt“ – wumm.

Es ist der Soundtrack eines Gerichtsdramas, des Falls Gustl Mollath. Wenige Wochen vor der Wiederaufnahme seines Verfahrens hat das Würzburger Mainfranken-Theater die Geschichte des Mannes, der sich als Justizopfer sieht, auf die Bühne gebracht. Es zeigt Mollath als Figur, die direkt aus einem Roman Franz Kafkas stammen könnte. Ein Mann, der im Räderwerk eines gesichtslosen Systems gefangen ist, das er nicht verstehen, geschweige denn beeinflussen kann.

Wie ein Text von Kafka

„Uns interessiert vor allem, dass dieser unbeirrbare Mensch in eine Maschinerie gerät und da beinahe zermahlen wird“, sagt Regisseur Stephan Suschke. Autorin Wiebke Melle stützt sich für „Mollath – Neues von der bayerischen Justiz“ im Wesentlichen auf Originaldokumente. Anhand von ausgewählten Zitaten aus Gutachten, Urteilen, Zeugenaussagen und Pressemitteilungen erzählt sie den Fall eines Mannes, dem die Justiz „gefährliche Wahnvorstellungen“ bescheinigte, und der sieben Jahre gegen seinen Willen in der Psychiatrie saß. Die Wende kam, nachdem sich Mollaths Schwarzgeld-Vorwürfe gegen seine früher bei der HypoVereinsbank beschäftigte Ex-Frau bestätigt hatten.

Die Theatermacher beziehen mit der Inszenierung offensiv Position. „Wir stehen auf der Seite Mollaths“, betont Regisseur Suschke. In dem Fall sei Recht gebeugt worden. Auf der Bühne dauert es nur wenige Minuten, bis die Ehefrau ankündigt: „Jetzt machen wir dich fertig.“ Dann stürmt ein behelmter Polizist die Bühne, reißt Mollath zu Boden, Hausdurchsuchung. „Herr Mollath, das ist ganz normal, das kann jedem Bürger mal passieren“, sagt ein Beamter. Es folgt das Begriffe-Ballett der Juristen und Ärzte, wo von „Fremdgefährlichkeit“ und einem „paranoiden Gedankensystem“ die Rede ist.

Dass Mollath bei seiner Version der Dinge bleibt, wird ihm als „mangelnde Krankheitseinsicht“ ausgelegt. „Gegen das System kommen Sie nicht an“, rät ihm ein Stationsarzt im Stück. Das gut einstündige Drama verdichtet den Leidensweg zu einem trotz aller Begriffsungetüme spannenden Justizkrimi, die komplexe Sprache unterstreicht den Effekt des Ausgeliefertseins.

Mollath war geplättet

Die Schauspieler schlüpfen in die Rolle von Prototypen: der Gutachter, der Richter, die Staatsanwaltschaft, der Anwalt. Sie stehen zwischen Aktenstapeln auf dunklen Metallpodesten, Georg Zeies als Mollath steht mit ungläubig aufgerissenen Augen dazwischen am Boden. Die Zuschauer nehmen bei der Inszenierung auf der Hinterbühne Platz und blicken in Richtung des Zuschauerraums: verkehrte Welt.

Über allem thront die Figur der Justizministerin Beate Merk, deren Pressemitteilungen und Interview-Statements das Publikum mit Zischen und Lachen quittiert – auch hier sind die Sympathien klar.

Kombiniert mit Shakespeare

Das Stück wird einem klassischen Stoff gegenübergestellt: Vorher ist jeden Abend Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ zu sehen. In beiden Stücken gehe es um die Frage, wie sich Recht zu Gerechtigkeit verhält, sagt Regisseur Suschke. „Dass ein Mensch aufgrund seiner Unbeirrbarkeit psychiatrisiert wird, nur weil er an einem bestimmten Punkt nicht mitmacht, das finde ich eine bemerkenswerte Verschiebung“, kritisiert er.

Mollath selbst sagte nach der Uraufführung am vergangenen Samstag der „Main-Post“, er sei „regelrecht geplättet“. „Das Stück entspricht dem, wie es in Wirklichkeit abgelaufen ist, in meiner Sache.“ Die Justiz widmet sich vom 7. Juli an wieder der Frage, wie es wirklich war: Dann wird Mollaths Verfahren wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung aus dem Jahr 2006 in Regensburg neu aufgerollt.

 

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