Immer schön dada!

Seit 20 Jahren bietet das Theater Blaue Maus originelle Kleinkunst in Neuhausen
Michael Stadler |
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Einmal stand der Blauen Maus das Wasser bis zum Hals. Im Jahr 2000 war das, aufgeführt wurde „Die Reichsgründer oder das Schmürz“ von Boris Vian. Während der Premiere gab es einen heftigen Frühsommerregen, eine regelrechte Flut, die in das Kellertheater eindrang. „Ich machte das Licht an und meinte, dass wir abbrechen müssen“, erzählt Claus Siegert. „Die Leute aber dachten, das gehört zur Inszenierung!" Die Zuschauer, inklusive Kritiker, bildeten eine Schlange, um das knöchelhohe Wasser mit Eimern abzuschöpfen und über die berühmte Wendeltreppe des Kellertheaters hinaus zu transportieren. Die Premiere wurde fünf Wochen später wiederholt, erzählt Sigi Siegert. „Alle Leute saßen original wieder an ihrem Platz!“

Die Anekdote erzählt viel über Münchens kleinstes Theater (45 Plätze), das gerade sein 20-jähriges Bestehen feiert. Schräges ist man von der Blauen Maus gewohnt, so dass auch ein Hochwasser inszeniert sein könnte. Und die Zuschauer sind nicht nur nah dran an der Bühne, sondern sie fühlen sich auch den Machern nahe. 1993 übernahmen Sigi und Claus Siegert das Theater in der Elvira-Straße von Rainer Schmals, der dort den „Kunstkeller Neuhausen“ betrieb. „Wir waren eine freie Gruppe, die bei ihm probten und auf allen möglichen Bühnen herumtingelten, was auf Dauer genervt hat“, so Claus Siegert. „Als er uns das Theater anbot, griffen wir zu."

Vier Wochen lang dauerte die Renovierung, die Fußböden strichen sie dabei blau. „Blaue Maus heißt das Theater, weil wir beide aus Saarbrücken kommen und es dort vor 30 Jahren eine Bühne gleichen Namens gab", erklärt Claus. „Und weil es so schön klein ist“, fügt Sigi hinzu. Beide lernten sich erst in München kennen: sie eine gelernte Schauspielerin, er ein Theater-Autodidakt, der auf ihre Suchanzeige nach Mitspielern antwortete, woraufhin sie feststellten, dass sie aus derselben Stadt stammen. Im Lauf des gemeinsamen Kleinkunst-Schaffens muss irgendwann und irgendwie auch die Liebe zugeschlagen haben. Heute arbeitet Sigi im Personalbüro der Fakultät Physik der LMU, ihr Mann hat ein Architektur-Büro im Schlachthofviertel.

Drei Monate lang kann die Recherche für eine der Collagen dauern, die mittlerweile typisch für die Blaue Maus sind. Gespielt wird mittwochs bis samstags, an Sonntagen wird der Raum manchmal von anderen Produktionen gemietet. Früher zeigten die Siegerts Theaterstücke; das allererste 1993 zur Eröffnung war „Oberösterreich“ von Kroetz. Schon damals übernahm Claus Siegert die Regie, wie in all den folgenden Eigenproduktionen. Und Sigi Siegert, die in dieser Zeit noch Klein hieß, stand mit anderen auf der Bühne, so wie sie auch heute unter der Regie ihres Mannes spielt, wenn sie nicht gerade mit ihm zusammen inszeniert.

Auf die Idee mit den Collagen kamen sie, weil der Raum die Auswahl aus vorhandenen Theaterstücken eng macht und beide einen Sinn für absurde Komik haben. So erstellen sie bis heute Revuen und Collagen, mit Prosa- und Gedichtexten, bevorzugt von Ernst Jandl und anderen Dadaisten, deren spleenige Ideen in der Blauen Maus ihren richtigen, intimen Platz finden.

Das Jubiläum begehen die Siegerts gerade mit einem weiteren Jandl-Abend, „tollenpatschen? schmutzen finken!“. Die Blaue Maus erhält 70 000 Euro städtische Förderung pro Jahr, womit sie sich gerade über Wasser halten kann. Mit Kleinkunst ist kein großes Geld zu verdienen. Aber die Siegerts machen Theater ja auch aus Leidenschaft, für ein Publikum mit Lust an originellen Abenden.

Blaue Maus, Elvirastr. 17a, Karten Tel. 18 26 94, Eintritt 16, erm. 10 Euro; „tollenpatschen? schmutzen finken!" wird noch Mi bis Fr, 13.12., 20.30 Uhr gezeigt, und Mo, 30.12., 20.30 Uhr. Die letzte Vorstellung an Silvester ist schon ausverkauft.

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