Im Gesicht sitzt die Torte am besten
Von einem solchen Bühnenarbeiter träumt jeder Opernintendant: Den Konzertflügel für die Proben schleppt er nicht nur alleine auf dem Rücken, sondern auch unfallfrei, kann außerdem Noten lesen und ganz passabel vom Blatt schmettern. Aus dem Instrument klettern die guten Geister des Theaters – keine Diven, keine Startenöre, sondern die Handwerker in ihren Alltagsklamotten, die erst einmal die Kostüme bügeln, den Bühnenboden staubsaugen und, systembedingt grundsätzlich vom Publikum übersehen, überhaupt die große Oper möglich machen. Und dann singen sie, meist im Chor und stets a cappella, Hits aus den Charts der Abonnenten.
„Operetta“ von der spanischen Truppe Cor de Teatre hat nichts mit verspielt koketter Operette zu tun, sondern gibt bei Tollwood Klassikern des Opernrepertoires aus der Perspektive der Hinterbühne einen ganz eigenen Sound. Höhepunkte der Gesangskunst finden bei der Deutschland-Premiere im Grand Chapiteau nicht statt. Doch die 24 Sängerinnen und Sänger bauen mit raffinierten Arrangements die stimmliche Wucht auf, die die Oper braucht. Statt perfektem Belcanto gibt es mehr zu lachen, als es bei dieser Kunstgattung üblich ist.
Da kann das Publikum selbst Quell der Heiterkeit sein, wenn die Habanera aus „Carmen“ von rhythmischem Husten der Zuschauer und dem von Georges Bizet komponierten Klingelton im Parkett begleitet wird. Auch vor Klamauk zeigt Regisseur Jordi Purti keine Scheu, und die Torte, die eine ganze Arie lang bereit steht, findet schließlich zuverlässig ihren Weg in ein Gesicht. Opernmelodien mit viel szenischem Witz für jede Lebenslage: Rossinis „Tell“-Ouvertüre gibt einem Radrennen erst das rasante Tempo, oder der Zigeunerchor aus Verdis „Troubadour“ vertont das Märchen vom Rotkäppchen als pantomimisches Kasperltheater mit einem unerwarteten Ende, wie es bei den Grimms nicht steht.
Tollwood (Grand Chapiteau), heute und morgen, 20.30 Uhr