"Il templario" von Otto Nicolai mit Juan Diego Flórez
Seine „Lustigen Weiber von Windsor“ gehören zur gemütlicheren Repertoire-Ecke des deutschen Stadttheater. Und in jeder Verdi-Biographie ist zu lesen, Otto Nicolai hätte das Angebot ausgeschlagen, für die Mailänder Scala das Libretto von „Nabucco“ zu vertonen, ehe sich Verdi dieses Textbuch vornahm und seinen Durchbruch als Komponist erlebte.
Bei der konzertanten Aufführung von Nicolais „Il templario“ im Großen Festspielhaus vergeht einem das Lächeln über diese Geschichte. Es gibt fadere Opern von Donizetti, die viel berühmter sind.
Der „Va pensiero“-Chor wäre dem 1810 in Königsberg geborenen Komponisten wohl nicht eingefallen. Den Rest aber hätte er mühelos gepackt. Denn das Opernhandwerk der Zeit beherrschte dieser Ostpreuße so perfekt wie ein Italiener.
Die Bariton-Arie und das Duett zwischen Rebecca und Briano erinnern an ihre Entsprechungen in Verdis „Nabucco“. Deutsch an „Il templario“ ist nur die ausgefeiltere Instrumentierung, die Verwendung von Erinnerungsmotiven und die knappe Charakterisierung von Stimmungen durch die Farben des Orchesters. Man versteht, dass der Impresario Bartolomeo Merelli dem 30-jährigen Deutschen einen Erfolg auf Italiens erster Opernbühne zutraute.
Die Salzburger Festspiele kleckteren nicht, sie klotzten – wie es sich bei einem unbekannten Werk gehört. Juan-Diego Flórez gab den Ritter Ivanhoe in dieser Oper frei nach Walter Scotts Roman. Der Peruaner tönte in seiner extrem hoch liegenden, kriegerischen Auftrittsarie immer wieder das Wort „Amore“ zärtlich ab. Ein Macho mit weichem Kern – kein Wunder, dass ihm die Herzen der Frauen auf und vor der Bühne zuflogen.
Sein Gegenspieler Briano hat die gewichtigeren Arien. Luca Salsi erstaunte mit einem metallisch gehärteten Riesenbariton, der das Große Festspielhauses mühelos füllte. Denn da gehen kleinere Stimmen leicht unter. Noch besser passen wird Salsis Urgewalt allerdings beim Gérard in Giordanos „Andrea Chenier“, den er im Mai 2017 an der Bayerischen Staatsoper singen wird.
Die für Joyce DiDonato eingesprungene Clémentine Margaine verblüffte als Rebecca mit einem üppigen, gut geführten und farbenreichen Mezzo. Sie hatte das überraschendste Stück zu singen: das Gebet einer Jüdin als protestantischen Choralsatz – ein ziemlich exzentrischer Exotik-Effekt. Die zweite Dame beschäftigt Nicolai nach einem harfenumrauschten Primadonnenauftritt fast nur noch in Ensembles: Kristiane Kaiser strahlte kurz und machte das Beste daraus.
„Il templario“ wurde seinerzeit an 70 Theatern nachgespielt – sogar in Buenos Aires und Mexico City. Doch Nicolai blieb nicht in Italien: Er ging als Kapellmeister ans Wiener Kärntnertortheater. Um mit dem Orchester der Hofoper auch außerhalb der Bühnendienste Konzerte geben zu können, rief er mit den Musikern einen Verein ins Leben, aus dem die Wiener Philharmoniker hervorgingen.
Die Nachfolger der damaligen Musiker ließen es sich nicht nehmen, die Partitur ihres Gründers mit eleganter Erstklassigkeit auszuleuchten. Der Dirigent Andrés Orozco-Estrada schürte die hitzige Dramatik der Musik kräftig nach. Auch der von Alois Glassner einstudierte Salzburger Bachchor war mehr als Staffage: Er hatte Entführer-Chöre zu singen, die ähnlich Heiter-Zwielichtiges aus „Macbeth“ oder „Rigoletto“ vorwegnehmen.
Nicolai erlag neun Jahre nach der Komposition von „Il templario“ in Berlin überraschend einem Schlaganfall. Hätte er länger gelebt und wäre er in Italien geblieben – Giuseppe Verdi hätte sich warme Socken besorgen müssen. Und ein gewisser Richard Wagner womöglich auch.
Noch einmal morgen, 30. August, 15 Uhr, im Großen Festspielhaus