Ibsens "Nora", inszeniert von Mateja Koleznik

Henrik Ibsens Ehedrama „Nora“ in der Regie von Mateja Koleznik im Cuvilliéstheater
von  Matthias Hejny
Till Firit (Torvald Helmer) und Genija Rykova (Nora Helmer) in Ibsens Drama im Cuvilliéstheater.
Till Firit (Torvald Helmer) und Genija Rykova (Nora Helmer) in Ibsens Drama im Cuvilliéstheater. © Andreas Pohlmann

Schwarzweiß ist die Modefarbe der beiden Residenztheater in diesem Frühling. Am vergangenen Wochenende hatte Tina Lanik Premiere mit Arthur Millers „Hexenjagd“ in einer Konstruktion aus schwarzem Gebälk mit Kostümen in schwarz und weiß, getaucht in ein gleißend helles Licht. Diese Beleuchtung in hartem eisweiß prägt auch „Nora oder Ein Puppenheim“ im Cuvilliéstheater. Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt baute Nora ein tiefgefrorenes Nest in einem unbehaglich grellen Weiß, und nur die Kostüme von Axel Aust finden zwischen schwarz und weiß noch die eine oder andere Schattierung des Grau.

Das Bühnenbild ist eine Übernahme aus dem Stadttheater Klagenfurt, wo die slowenische Regisseurin Mateja Koleznik das Stück bereits im Januar zeigte. Dennoch ist es jetzt eine Münchner Produktion, denn mit Ausnahme des Torvald Helmer sind alle Rollen neu besetzt. Den Torvald spielt Till Firit, der ab kommender Spielzeit zum Resi-Ensemble gehören wird und hier als selbstgefälliger und doch so leicht zu verunsichernder Ehemann einen vielversprechenden Einstand feiert.

Anders als die Ausstattung ist die Inszenierung alles andere als nur schwarz und weiß. Selten zwitscherte Henrik Ibsens aufopferungsvolle Mustergattin so leichtfüßig ihren Ehemann Torvald an, wie die fantastische Genija Rykova das macht. Und nicht oft gelingt es, diesen Alptraum aus bürgerlichen Existenzängsten aus dem 19. Jahrhundert in ein Heute zu fügen. Der einfache Plot funktioniert noch immer glaubwürdig: Der Jurist Torvald Helmer ist designierter Bankdirektor und seine Frau Nora ist richtig stolz auf ihn.

Gespenster der Vergangenheit

Den zu erwartenden Geldsegen benötigt sie nicht nur dringend fürs Shopping, sondern vor allem, um einen Kredit zu tilgen, von dem Torvald nichts wissen darf. Sie brauchte das Geld damals, um ihrem schwer erkrankten Mann eine Kur in Mittelmeer-Klima zu finanzieren. Nicht nur, dass Torvald niemals akzeptieren würde, sein Leben Nora verdankt zu haben, denn die Frau dient dem erfolgreichen Mann vor allem als Zierde. Das Schlimmere ist, dass sie für das Darlehen eine Unterschrift fälschte. Eines Tages kurz vor Weihnachten aber tauchen mit Noras alter Freundin Kristine (Hanna Scheibe) und dem Bankangestellten Krogstadt (Gunther Eckes) zwei Gespenster aus der Vergangenheit auf, die drohen, das Geheimnis zu lüften.

Von der vermutlich großzügig geschnittenen Altbauwohnung zeigen die Regisseurin und ihr Bühnenbildner nur einen kleinen Ausschnitt: Links und rechts des dem Publikum leicht entrückten Guckkastens führen mächtige Türen in den Flur, was Mateja Kole(z)nik nutzt, das Ehedrama mit den Mitteln der Tür-auf-Tür-zu des Boulevardtheaters stark zu beschleunigen. Alles passiert hier buchstäblich zwischen Tür und Angel. Und da Nora ein böses Geheimnis hat, kann hinter den Türen jederzeit jemand sein, der ihr Leben zerstören will. Sie ist eine Getriebene, die in unglaublichem Tempo charmante Konversation herbei plappern kann, aber auch leicht zu erschrecken ist, wenn sich eine Tür unerwartet öffnet.

Lesen Sie auch unser Interview mit der Regisseurin über Ibsens "Nora"

Dennoch findet die Inszenierung ihren eigenen Rhythmus. Sehr langsam und spannend entfaltet sich beispielsweise das Kommunikationsdesaster zwischen Nora und Doktor Rank (Markus Hering): Sie will dem langjährigen Freund der Familie ihre Tat gestehen, der todgeweihte Arzt missversteht das als Einladung zum Sex. Wenn am Schluss dann doch alles geklärt zu sein scheint, steht ihr Entschluss, Torvald zu verlassen, fest. Mateja Koleznik aber misstraut Ibsens Botschaft von der selbstverwirklichten Frau. Bei ihr bleibt Nora zwischen den beiden Türen unschlüssig stehen. Soll sie wirklich einfach gehen oder in der Hoffnung auf „das Wunderbare“ bleiben?

Cuvilliéstheater, Sa. 19.30 Uhr, 20. März, 19 Uhr, Telefon 21851940

 

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