Hui Buh und das Kunstgespenst in den Kammerspielen

München - Diese Aufführung ist ein kindsköpfig schräger Horrortrip - und einer, den man wärmstens empfehlen kann. Insbesondere Gruselfans, die sich gern mit Horrorstreifen der 1980er und 1990er Jahre wie "A Nightmare on Elm Street", "Vampire in Brooklyn", "Es" oder "Chucky, die Mörderpuppe" um den Schlaf gebracht haben, sollten sich auf "Horror und andere Sachen" unbedingt einlassen. Sie werden mit unzähligen Zitaten aus diesen Filmen belohnt.
Schreckmomente bei jeder Vorstellung garantiert anders
Zum Schmunzeln gebracht wird jeder, auch wenn die Schreckmomente zumeist auf dem Level von Otfried Preußlers Schlossgespenst Hui Buh stecken bleiben. So sehr und oft maßlos überspitzt wird sich hier um Schaurigkeit in jedem Detail bemüht. Und das bei jeder Vorstellung hundertprozentig ein klein wenig anders.
Hinter der einstündigen Performance, die vor allem von Grimmassen der übelsten Emotionen und dem stets beherzt-grausamen Körpereinsatz der fünf Kammerspielschauspieler getragen wird, steht die Regisseurin Tiziana Pagliaro. "Einfach spielen" ruft sie wiederholt ins Mikrofon oder verändert durch ihre Zurufe das Tempo des Spiels.
Darsteller fahren hin und wieder aus der Rolle
"Schneller - langsamer - größer" lauten ihre Anweisungen, von denen nicht alle gleich gut verständlich sind. Innerhalb einer Abfolge sich an Plattheit überbietender Effekthascherei fallen da Darsteller schon mal aus ihrer Rolle. Das sorgt dann für ein Plus an Spaß, denn zu ernst nehmen sollte man diesen improvisationsreichen Abend keinesfalls.
Katharina Bach als langbeinige Spinnenfrau mit Vampirgebiss und Leoni Schulz mit Freddy Krügers langen Fingern irritiert eigentlich nichts. Sie mimen sich, tanzen und singen (gut inszeniert als Playback-Effekt) durch ein - anfangs jedenfalls - fast komplett weißes Appartement. Die Fenster und Türen darin sind so rund wie der Mond und ein mitten im Raum platzierter Zauberbrunnen.
Zum Werwolf im Lackmantel verwandelt sich André Benndorff auf Befehl. Frangiskos Kakoulakis mit dem breiten Clownsgrinsen eifert ungeduldig auf den Moment des finalen Blutvergießens hin. Und Dennis Fell-Hernandez mit seinem befiederten Arm fällt auf durch sein Faible für magische Flüche. Die sind zwar aus dem Potter-Universum entlehnt, aber was soll's.
Regisseurin und ihr Partner kennen sich aus Zürich
Gemeinsam mit ihrem Partner für Musik und Live-Soundeffekte Remo Beuggert hat Tiziana Pagliaro die Idee zu dieser Uraufführung aus Zürich mitgebracht. Dort arbeiten die beiden seit 2007 als Schauspieler beim Theater Hora, einer der bekanntesten schweizerischen freien Tanz-, Theater- und Performance-Gruppen. Ihr in München erarbeitetes Projekt ist das erste eines Regieteams mit kognitiver Beeinträchtigung an einem deutschen Stadttheater. Entsprechend unzweideutig klar lautet die Devise zum Schluss: "Leute, jetzt langsam tot sein. Sterben. Und nicht mehr bewegen!"
Kunstblut strömt literweise
Persönlich fühlt Pagliaro jedem den Puls. Dann dreht sie den Zuschauern, die sie immer mal wieder ins Visier genommen hat, um sich ihrer Stimmung zu vergewissern, den Rücken zu. "Alles nur Theater - Musik aus, Licht aus" sind ihre letzten Worte. Versöhnlich nach einem Live-Geisterbahn-Spektakel, das ungeheuer monströs losgeht und sich einfach nur irre entwickelt, bis es in einer Selbstmitleidsorgie gipfelt, bei der das Kunstblut literweise aus Flaschen strömt.
Man fühlt sich ungemütlich-wohl wie zu Halloween. Darauf kommt es dem kühnen Team an, das Querverweise in die Realität von vorneherein ausklammert. Lieber stimmt man das Publikum beim Einlass nach dem Motto "Süßes oder Saures" mit weißen Mäusen und Schnecken aus Lakritz in liebevoll gefalteten Tüten auf die fantastische Welt harmlosen Kinograuens ein.
Wieder am 14. Mai sowie am 7., 8., 22. und 23. Juni um 20 Uhr im Werkraum. Karten zu 25 Euro unter muenchner-kammerspiele.de