Hinreißend dazwischen

Fantastische Farce: Georges Perecs Stück „Über die Kunst seinen Chef anzusprechen und ihn um eine Gehaltserhöhung zu bitten“, inszeniert vonJochen Schölch
Gabriella Lorenz |
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Alles, was Sie schon immer wissen wollten „Über die Kunst seinen Chef anzusprechen und ihn um eine Gehaltserhöhung zu bitten“, vermittelt Ulrike Arnold in einem einstündigen Seminar im Café des Metropoltheaters. Sie referiert die Erkenntnisse des Franzosen Georges Perec. Detaillierter kann ein Ratgeber nicht sein: Er erläutert alle Eventualitäten des Scheiterns. Aber die Botschaft ist: Geben Sie nicht auf! Warten Sie sechs Monate und bemühen Sie sich erneut!
Inszeniert hat diese Trouvaille des absurden Theaters der Metropoltheater-Chef Jochen Schölch.

Autor Georges Perec (1936-1982) stützte sich für seinen Text 1968 auf ein Organigramm, das im Foyer hängt und buchstäblich die Quadratur des Kreises ist. Wie bei manchen Brettwürfelspielen heißt es immer wieder: Gehe zurück auf Anfang! Genau das tut der experimentelle Dichter Perec: In einer Endlosschleife ohne Punkt und Komma wiederholt er elliptisch die immer selben Floskeln – mit kleinen Variationen, die das Verhältnis des Bittstellers zur Firma jeweils neu beleuchten. Das Ganze ist ein einziger Konjunktiv zwischen den Polen „Entweder-Oder“: Entweder ist der Chef in seinem Büro, wenn Sie klopfen, oder nicht. Entweder bittet er Sie herein oder nicht. Davor, dazwischen und danach gibt es unzählige Entweder-Oder, die erschöpfend erörtert werden. Das Ende ist nur der Anfang einer neuen Runde in der Leerlauf-Routine eines Angestelltenlebens, die so parodiert wird.

Die existiert heute so nicht mehr. Aber Schölch belässt den Text in den 60ern: Kipptafel statt Power Point-Präsentation. Ulrike Arnold stöckelt aufs Eckpodest, im braven dunkelblauen Bürokleid, höchst adrett und ebenso verklemmt. Dauernd gibt’s kleine Irritationen: Sie stolpert mit ihren Pumps auf dem Wollteppich, stößt mit den Füßen gegen den Ständer der Tafel, die sie bemalt. Die Kreide beschmiert ihr Kleid, manchmal flüchtet sie hinter die Tafel, weil sie ob des Misserfolgs ihres Probanden – der wir alle sind – das Mitleid überwältigt. Ulrike Arnold spielt die aussichtslose Verzweiflung der Referentin hinter der berufsmäßigen Fröhlichkeit hinreißend: Du hast keine Chance, aber nutze sie.</CW> [/INI_3][AUTOR_ENDE]

Metropoltheater, 7., 8., 22., 23. April 2014, 20 Uhr, und im Mai, 20.30 Uhr, Tel.32 19 55 33

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