Kritik

Herrenchiemsee: Rüdiger Lotter dirigiert die "Zauberflöte"

Mozarts Oper mit der Hofkapelle München im Spiegelsaal des Schlosses.
Robert Braunmüller
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Rüdiger Lotter (Mitte) mit den Solisten und der Hofkapelle München im Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee.
Aurelia Heintze 6 Rüdiger Lotter (Mitte) mit den Solisten und der Hofkapelle München im Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee.
Der Schlussapplaus.
Aurelia Heintze 6 Der Schlussapplaus.
Rüdiger Lotter.
Aurelia Heintze 6 Rüdiger Lotter.
Stefan Wilkening
Aurelia Heintze 6 Stefan Wilkening
DIe Hofkapelle München bei einer Probe.
Aurelia Heintze 6 DIe Hofkapelle München bei einer Probe.
Die Spiegelgalerie im Schloss Herrenchiemsee hier konzertfrei.
picture alliance/dpa/dpa/Pool 6 Die Spiegelgalerie im Schloss Herrenchiemsee hier konzertfrei.

Herrenchiemsee – Die "Zauberflöte" kennt jeder. Aber die "Zauberinsel"? Sie war an Emanuel Schikaneders Vorstadttheater der Vorläufer von Mozarts Oper und wurde - vor ihrem tiefen Absturz in die Vergessenheit - auch andernorts mit Erfolg gespielt. Dieses Singspiel hat eine schöne Ouvertüre mit festlich-langsamer Einleitung, die auch erster Satz eine Symphonie von Joseph Haydn zieren würde. Oder eine beliebige Opera seria dieser Zeit.

Rüdiger Lotter hat diese erst 1996 wiederentdeckte Partitur kürzlich mit der Hofkapelle München aufgenommen. Und er leistet sich den Gag, die konzertante Aufführung von Mozarts Oper im Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee mit diesem Stück zu beginnen. Dann wird er von Emanuel Schikaneder unterbrochen, der ihm Mozarts in letzter Sekunde fertiggestellte Ouvertüre vorbeibringt.

Rüdiger Lotter.
Rüdiger Lotter. © Aurelia Heintze

Lotter versuchte gar nicht die legendäre Version "Des Königs Zauberflöte" zu kopieren, die Enoch zu Guttenberg vor 14 Jahren am gleichen Ort mit großem Erfolg und allerlei König-Ludwig-Lokalkolorit herausbrachte. Seine Version maskiert sich zwanglos als Probe für die Uraufführung, ohne aber gefährliche Peinlichkeiten wie einen Auftritt Mozarts zu riskieren. Lotter spielt am Anfang kurz Johann Baptist Henneberg, der die "Zauberinsel" komponierte und die Uraufführung der "Zauberflöte" leitete - und lässt es damit bewenden.

Guttenbergs Version hatte ihre Meriten, aber Lotter macht musikalisch vieles noch besser. Denn die historisch informierte Spielweise auf Nachbauten alter Instrumente arbeitet Mozarts Orchesterkunst heraus, die das Heitere vom Ernst sehr farbig scheidet - unter anderem durch die Posaunen, die in ihrer kleineren, älteren Bauweise den Klang nicht verdicken, sondern die Priesterszenen auch sakral und archaisierend färben.

Die Spiegelgalerie im Schloss Herrenchiemsee hier konzertfrei.
Die Spiegelgalerie im Schloss Herrenchiemsee hier konzertfrei. © picture alliance/dpa/dpa/Pool

Die von Stefan Wilkening mit leiser Ironie gesprochenen Texte hätten eine Kürzung mit der Rosenschere vertragen können. Andererseits: Wer will schon auf die bekannten Gags verzichten? Gesungen wurde teilweise herausragend: Kai Kluge ist ein bemerkenswerter Mozart-Tenor, der lyrischen Schmelz und dramatische Kraft ideal versöhnt. Thomas E. Bauer spielte lustig damit, gebürtiger Straubinger wie Schikaneder zu sein. Sein ziemlich grantiger Papageno setzte einen individuellen, ja ungewöhnlichen Akzent, der allerdings perfekt zu seiner dunklen, bassigen Stimme passt.

Lotter wählte durchwegs schnelle Tempi. Es hätte allerdings nicht geschadet, sie hin und wieder zu variieren. Den Weltschmerz von Paminas Arie mag man früher übertrieben haben, die neuerdings modische Hudelei überzeugt allerdings noch weniger. Das schöne, klare Singen von Elena Harsányi konnte daran nichts ändern.

DIe Hofkapelle München bei einer Probe.
DIe Hofkapelle München bei einer Probe. © Aurelia Heintze

Martin Summer sang mit samtig schwarzem Bass nicht nur den Sarastro, sondern auch den Sprecher. In der Feuer- und Wasserprobe eingefügt war ein Arioso aus der "Zauberinsel". Den gecancelten Monostatos und die fehlenden Chöre dürften dank geschickter Übergänge nur Kenner vermisst haben. Den Schluss sangen musikalisch verlustfrei alle zusammen.

Stefan Wilkening
Stefan Wilkening © Aurelia Heintze

Wer nach dieser "Zauberflöte" ihr musikalisches und theatergeschichtliches Umfeld kennenlernen möchte, sei auf die Aufnahme von "Der Stein der Weisen oder: Die Zauberinsel" verwiesen. Summer und Kluge sind auch dort zu hören. Ein miauendes Duett, das stark an die Szene zwischen Papageno und Papagena erinnert, ist höchstwahrscheinlich von Mozart, die restliche Musik von Henneberg und anderen.

Der Schlussapplaus.
Der Schlussapplaus. © Aurelia Heintze

Die Gemeinsamkeiten zwischen der "Zauberflöte" und der "Zauberinsel" sind teilweise frappierend - wie bei allen Prequels und Sequels, auch wenn Henneberg kein Mozart ist. Was aber völlig fehlt, ist das feierliche Schreiten der Priester. Und so drängt sich der Verdacht auf, dass Mozart genau diese heute als oft langweilig empfundene Freimaurer-Sphäre womöglich dem Herrn Schikaneder aufgeschwatzt hat, um beide Werke reinlich zu scheiden. Andererseits hat Lotter in der Aufführung in Schloss Herrenchiemsee gezeigt, dass gerade diese Szenen stark gewinnen, wenn sie mit einem historisierenden Instrumentarium aufgeführt werden.

Mit der "Zauberflöte" kommt man eben nie zu einem Ende.

"Der Stein der Weisen oder: Die Zauberinsel" mit der Hofkapelle München unter Rüdiger Lotter bei dhm/Sony

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