Herbert Föttinger über Mozarts "Don Giovanni" im Cuvilliéstheater

Der Regisseur Herbert Föttinger über seine Inszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ im Cuvilliéstheater
von  Robert Braunmüller
Szenen aus dem neuen "Don Giovanni" des Gärtnerplatztheaters.
Szenen aus dem neuen "Don Giovanni" des Gärtnerplatztheaters. © Thomas Dashuber

Es ist die letzte Opernpremiere vor dem Wiedereinzug ins Stammhaus: Am Samstag bringt der Gärtnerplatz im Cuvilléstheater Mozarts „Don Giovanni“ heraus. Mit dieser Produktion verabschiedet sich der Chefdirigent Marco Comin aus München. Inszeniert wird sie von Herbert Föttinger. Der Schauspieler und Regisseur leitet seit 2006 das Theater in der Josefstadt in Wien.

AZ: Herr Föttinger, wenn man einen Regisseur reinlegen will, gibt man ihm den „Freischütz“, „Carmen“ oder „Don Giovanni“. Da hat jeder Zuschauer eine Vorstellung, die keine Inszenierung je erfüllen kann.
HERBERT FÖTTINGER: Beim „Freischütz“ gebe ich ihnen recht. Das ist ein schwieriger Fall. „Carmen“ steht und fällt mit der Hauptrolle. Aber manche Leute wissen auch, wie „Fidelio“ geht. Und in Wien wissen die Opernbesucher eigentlich bei jedem Stück, wie es aussehen muss. Da gibt’s schnell Buhs für die Regie. Ist das hier auch so?

Nicht so extrem wie in Wien.
Warten Sie es ab, vielleicht gibt’s auch bei meinem „Don Giovanni“ Buhs.

Was machen Sie Schlimmes?
Bei mir erscheint am Ende kein Komtur. Ich denke, das macht Don Giovanni mit sich selbst aus. Er lädt auf dem Friedhof ein Kreuz zu sich ein – im beginnenden Wahnsinn, in den er sich hineinbegibt – auch schon bei Mozart. Jede Auseinandersetzung mit der Transzendenz hat etwas Schizophrenes. Don Giovanni fährt mit 180 gegen eine Mauer, um ganz bewusst zu erfahren, was dahinter ist.

Sie haben schon selbst den Don Giovanni gespielt – in Max Frischs Version des Stoffs. Hat Ihnen das beim Inszenieren geholfen?
Mozarts Oper erzählt die letzten 24 Stunden im Leben der Figur. Alles läuft auf Don Giovannis Tod zu. Er will sich dem entziehen und lädt auf dem Friedhof eine Figur ein. Das ist seine Auseinandersetzung mit der Metaphysik. Zu dem Stoff gehört eine transzendente Begegnung.

Und wie ist das bei Frisch?
In seinem Stück „Don Juan oder die Liebe zur Geometrie“ ist die Figur eine reine Projektionsfläche. Er wird in eine Rolle gedrängt, der er sich entziehen möchte, um sich lieber mit Mathematik zu beschäftigen. Ein bisschen kann man dafür bei Mozart und Da Ponte schon verwenden: 2064 Frauen sind kein Spaß, sondern auch Arbeit.

Nach allem was Sie sagen – eine Komödie ist der „Don Giovanni“ für Sie nicht.
Die Oper hat komödiantische Elemente. So weit es mir gelingt, wollen wir nicht drauf verzichten. Aber „Don Giovanni“ ist mehr Opera seria als Dramma giocoso. Das Stück beginnt mit einem Mord oder zumindest mit einem tödlichen Unfall. Wenn man von 1787 ausgeht, ist es eher ein Duell.

Spielt die Geschichte bei Ihnen zu Mozarts Zeit?
Nein, heute, irgendwann, zeitlos. Wir sind nicht historisch. Eher im 20. Jahrhundert.

Das könnten ein paar Leute vermissen. Gehört das Spanische auch zu dem Stoff?
Wichtig ist das Katholische, die indoktrinierte Moral und der gesellschaftliche Konsens. Donna Anna kann gar nicht anders handeln, als sie es tut.

Liebt sie Don Giovanni?
Auf jeden Fall. Alle Frauen lieben ihn, auch Elvira und Zerlina. Wie soll ein Don Giovanni funktionieren, den die Frauen nicht lieben? Und was Donna Anna angeht: Die Musik beschreibt ihre Gefühle für Don Giovanni. Aber als Adelige darf sie keine Affäre haben.

Was ist denn der Don Giovanni für ein Typ?
Auf jeden Fall ein Mann mit einem Charisma, das einen flachlegt. Sein Auftritt löst etwas aus. Ich habe das eben bei F. Murray Abraham erlebt, der von 25 jungen Frauen umzingelt wurde. Er schaut auch nicht so wahnsinnig gut aus. Aber Macht und Charisma lösen was aus.

Kein leichter Job für Ihren Hauptdarsteller.
Ich habe immer gesagt: Die Frauen müssen Giovanni spielen, nicht er.

Für welche Version der Oper haben Sie sich entschieden?
Für die Prager Fassung, dazu „Dalla sua pace“ und die große Arie der Elvira.

Also ohne die komischen Szenen der Wiener Fassung.
Die finde ich blöd.

Für jeden Regisseur ist das Finale des ersten Akts schwierig. Im Textbuch steht nicht, wie er den Verfolgern entkommt, aber als Zuschauer möchte man das schon wissen.
Für mich ist da einiges unklar. Wieso veranstaltet Don Giovanni ein Fest, um heimlich mit Zerlina zu verschwinden? Das könnte er einfacher haben. Welchen Plan haben die drei Masken? Nach Zerlinas Schrei sagen Sie: „Jetzt haben wir dich!“ Aber wieso soll das den Mord am Komtur beweisen? Da hätte ich gern mal mit Mozart und da Ponte gesprochen, wie ich in der Josefstadt mit den Autoren meiner Uraufführungen rede.

Vielleicht hätten Sie ein schlagendes Argument parat.
Ich sage das nicht aus einer Überheblichkeit gegenüber Mozart und da Ponte.

Was reizt Sie an der Oper?
Im Theater muss ich die Sprache erst komponieren, hier ist sie schon da. Wenn jemand toll singt und spielt, ist das etwas sehr Aufregendes. Theater geht mehr über den Kopf, Oper trifft einen sofort in den Gedärmen und Eingeweiden.

Premiere am Sa., 19 Uhr, im Cuvilléstheater. Weitere Vorstellungen bis zum 12. Juli, Karten unter Telefon 089 2185 1960

 

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