"Gräfin Mariza" von Emmerich Kálmán mit dem Budapester Operettentheater

Hausmannskost satt: Das Operettentheater aus Budapest zeigt Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“ im Deutschen Theater
von  Robert Braunmüller
Wie man sich's vorstellt: Kálmáns "Gräfin Mariza" in der Inszenierung des Budapester Operettentheaters
Wie man sich's vorstellt: Kálmáns "Gräfin Mariza" in der Inszenierung des Budapester Operettentheaters © Deutsches Theater

Es ist ein Ausflug in die gute alte Zeit der Operette. Die Witze sind auf eine sehr altmodische Art anzüglich. Man lacht über Bandscheiben. Das Ballett zeigt familientaugliches Fleisch und hat Pfauenfedern auf dem Kopf. Die Zigeunerin trägt pechschwärzestes Kunsthaar und springt direkt aus einem Film der Fünfziger auf die Bühne. Und irgendwann tritt zu pseudoafrikanischem Getrommel ein dunkel geschminkter, halbnackter Mann im Wuschelhaar mit Baströckchen auf, obwohl die Geschichte im alten Ungarn in den Grenzen von vor 1918 spielt.

Das ist richtig peinlich. Sonst aber verbreitet das Budapester Operettentheater bei „Gräfin Mariza“ die gute alte Herrlichkeit der leichten Muse. Der Tenor (Zsolt Vadász) schmettert „Komm, Zigan, komm, Zigan, spiel mir was vor“ und andere unsterbliche Melodien von Emmerich Kálmán mit viel Schmelz. Die Sopranistin Mónika Fischl hat den typischen, leicht mondänen Charme einer Operettendiva. Man nimmt ihr ab, dass die Gräfin Mariza eine leicht kapriziöse Frau ist. Das Buffo-Paar (Annamari Dancs und Miklós Máté Kerényi) ist sehr nett. Und in Budapest gibt es noch die guten, alten Chargenspieler alter Schule.

Die ungarischen Sänger sprechen und singen deutsch. Allerliebst ist es auch, „Bittärschön“ von falschen Grafen mit dem ungarischen Akzent zu hören. Und natürlich Gulasch und Paprika. Das gehört bei einem Stück, das irgendwo in Groß-Ungarn mit Sicht auf die schneebedeckten Karpaten spielt, zum Lokalkolorit, auch wenn man nicht jedes verstärkte Wort versteht.

Gulasch aus der Dose

Der Regisseur Miklós-Gábor Kerényi alias KERO® hat die Rolle des Barons Kolomán Zsupán mit dem Grafen Liebenberg zusammengelegt. Ob diese Idee wie der Name des Künstlers als Warenzeichen geschützt ist, wissen wir nicht. Dem Münchner Operettenliebhaber kommt dieser dramaturgische Kniff jedenfalls bekannt vor: Auch Josef E. Köpplinger hat vor etwa zehn Jahren am Gärtnerplatztheater auf diese Weise mit den Unwahrscheinlichkeiten der Handlung ein wenig aufgeräumt.

Kerényi beherrscht das Regiehandwerk wie ein guter Kantinenkoch die Hausmannskost. Es gibt von allem reichlich. Und man wird satt, vor allem in den komischen Szenen.

Aber vieles ist zu stark gewürzt: Flaschen werden immer gleich auf Ex getrunken, alles wird ins Übergroße gefuchtelt. Wenn ein tragischer Hauch über dem Hohen Paar weht, wird die Inszenierung allerdings unfreiwillig komisch. Das eh kaum glaubhafte, schwache Liebesmissverständnis geht einem im Zuschauerraum kaum ans Herz. Und den dritten Akt – die Schwäche fast jeder Operette – hat der Regisseur mit dem Markenzeichen nicht wirklich im Griff: Langeweile kommt auf, weil die Gräfin Bozena als Dea-ex-machina nicht wirklich raumgreifend spielt, was bei einer Tourneeproduktion allerdings verzeihlich ist.

Das dezent verstärkte Orchester verkauft die Klangfarben und die Opulenz Kálmáns ein wenig unter Wert. Das dürfte nur Kenner stören. Aufgeklärten Operettenliebhabern – die es auch gibt  – wird diese Aufführung schmecken wie Gulasch aus der Dose. Aber wer alten Erinnerungen nachhängen und für drei Stunden einfach nur den Tag vergessen will, der wird vom Budapester Operettentheater redlich bedient.

Deutsches Theater, bis 15. Mai, Karten unter Telefon 55 23 44 44

 

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