Gerhard Siegel über "Peter Grimes" im Prinzregententheater

Der Gärtnerplatz zeigt als erste Premiere der Saison die Oper "Peter Grimes" mit Gerhard Siegel in der Titelrolle
von  Volker Isfort

Der Gärtnerplatz zeigt als erste Premiere der Saison die Oper "Peter Grimes" mit Gerhard Siegel in der Titelrolle

In einem kleinen Dorf an der stürmischen Ostküste Englands ist ein Junge gestorben. Ein Fischer steht vor Gericht, des Mordes an seinem Lehrling verdächtig. Ein Fall von Kindesmissbrauch? Lediglich eine verwitwete Lehrerin und der pensionierte Kapitän Balstrode sind dem undurchdringlichen Außenseiter Grimes freundschaftlich zugetan.

Benjamin Brittens Opernthriller „Peter Grimes“ gehört seit der Uraufführung im Jahr 1945 zum modernen Repertoire. Mit der Premiere in der Regie von Balázs Kovalik und unter der musikalischen Leitung des Chefdirigenten Marco Comin startet das Ensemble des Gärtnerplatztheaters seine neue Umbau-Spielzeit im Prinzregententheater.

AZ: Herr Siegel, die Oper „Peter Grimes“ bietet viele Deutungsmöglichkeiten, wie halten Sie es?

GERHARD SIEGEL: Ich denke, es gibt eine wahnsinnige Ähnlichkeit mit „Wozzeck“. Peter Grimes ist der Mann, der fast zum Außenseiter geboren ist – man wird ja selten dazu gemacht. Der Außenseiter hat die Anlagen schon dazu. Aber Grimes wird – genau wie Wozzeck – vom Volk zu seinem Handeln gezwungen und schließlich in den Selbstmord gedrängt.

Sie haben viel Wagner gesungen. Ist die Anstrengung dieser Rolle vergleichbar?

Ja man braucht da schon eine gewisse Kraft bei diesen extremen Charakterausbrüchen der Figur. Also man benötigt die ganze heldische Tessitura, allerdings dann auch sehr viel lyrische Töne dazwischen. Aber die Stimme brauche ich mir da nicht groß auftzuteilen, die Rolle ist ja auch gar nicht so groß, die Rolle des Chores scheint mir gewaltiger.

Also kein ganz schwerer Fall.

Schwieriger waren eher die wahnsinnig eng gedrängten Endproben, wenn man da die Rolle sechs bis acht mal aussingt in einer Woche. Und ich gehöre nicht zu denen, die markieren können oder wollen. Da muss man halt in den sauren Apfel beißen.

Die Premiere ist zugleich Ihr Rollendebüt als Peter Grimes.

Ja, und das freut mich ganz besonders. Es ist nicht ganz so leicht zu lernen wie eine Wagner-Oper, da gibt es schon ein paar musikalische Tücken, aber die tolle Akustik des Prinzregententheaters hilft auch ungemein. Ich habe die letzten Jahre mehr oder weniger Mime in Wagners „Siegfried“, den Hauptmann in Bergs „Wozzeck“ und Herodes in der „Salome“ von Richard Strauss gesungen. Ich möchte damit nicht sagen, dass das langweilig ist, jeder Abend ist ja anders, aber ein Rollendebüt ist doch ein besonderer Kitzel.

Eine Traumrolle?

Ich habe das Glück gehabt, dass ich in den letzten 20 Jahren eigentlich alle Rollen gesungen habe, die ich wollte. Ich habe außer Froh im „Rheingold“ und Siegfried in der „Götterdämmerung“ alle Tenöre im Wagner-Repertoire rauf und runter gesungen. Jetzt habe ich zwar ein paar Angebote für Strauss-Opern, die ich noch nicht gesungen habe. Aber Peter Grimes war für mich schon eine Traumrolle, die sich jetzt erfüllt. Ich habe auch das richtige Alter, die Rolle kann man nicht mit 36 Jahren spielen, da fehlt einfach die Reife.

Dafür lernen Sie eine Rolle, die im internationalen Betrieb nicht so oft nachgefragt wird.

Das spielt bei uns aber keine Rolle im Geschäft. Wenn man denkt, wie viele Uraufführungen man doch macht in seinem Sängerleben, die man dann vielleicht acht Mal singt und dann nie wieder. Aber das macht den Beruf so spannend. Sie waren lange fest engagiert.

Genießen Sie die Freiheit?

Ich war zuletzt acht Jahre in Nürnberg, und das war schon schön, einen Hafen zu haben. Ich bin ja während der Zeit auch herumgereist, das begann schon parallel. Ich bin nach wie vor grundsätzlich ein Verfechter des Ensembletheaters, weil sich durch das intensivere Zusammenspiel mit den Kollegen viele Sachen leichter gestalten. Das ist wie eine Familie. Gut, andererseits sind wir Freien im internationalen Wagner-Bereich natürlich auch sehr vertraut, von New York über London, bis Budapest und Tokio trifft man immer auf die gleichen Leute.

Haben Sie Erinnerungen an das Gärtnerplatztheater, das hoffentlich 2015 zum 150. Geburtstag wieder eröffnet wird?

Ich habe dort nie gesungen und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mit 14 Jahren zuletzt im Gärtnerplatztheater gewesen bin. Damals habe ich „Hänsel und Gretel“ gesehen und konnte mit Oper nichts anfangen.

Wann begann Ihre Leidenschaft für die Oper?

Eigentlich erst mit 25 Jahren. Ich wollte immer Trompeter werden und deswegen hat sich die Frage nach der Oper für mich nicht gestellt. Warum das? Oper fand ich damals immer zu laut und zu unverständlich gesungen. Dann war ich auch noch vier Jahre bei der Bundeswehr, wo ich musikalisch nichts gemacht habe, und deshalb konnte ich auch danach nicht mehr Trompete studieren. So bin ich zum Singen gekommen. Anfangs waren Sie doch im Chor? Wo war das? Das hat mir viel gebracht. Von diesen drei Jahren im Opernchor von Augsburg zehre ich noch heute. Man lernt zu singen, spielt sich frei in der Deckung der Masse, das war Gold wert in der Ausbildung. Diesen Weg geht man als Solist normalerweise nicht, aber ich kann ihn sehr empfehlen.

Premiere heute, 19.30 Uhr, Prinzregententheater. Weitere Vorstellungen am 23., 27., 29., 31. 10. und 2. 11., Telefon 21 85 19 60

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