Geheilig und verdammt
Fulda ist als Musical-Metropole noch ein Geheimtipp. Bisher war die Barockstadt beliebt wegen der gemütlichen Altstadt und bedeutend durch seinen Dom. Dort ruhen, so heißt es, die Gebeine des Heiligen Bonifatius. Der irische Mönch ist der „Missionar der Deutschen“, der in der Mitte des achten Jahrhunderts von Friesen, die von Bekehrung nichts wissen wollten, getötet wurde. Seine Geschichte wurde 2004 im Schlosstheater Fulda erstmals als Musical erzählt.
Für den Produzenten Peter Scholz und Komponisten Dennis Martin aus der Osthessen-Metropole hat sich damit, 40 Jahre nach Webbers Klassiker „Jesus Christ Superstar“, eine lukrative Marktnische aufgetan: das geheiligte Musical. 2007 folgte „Elisabeth – die Legende einer Heiligen“ über Elisabeth von Thüringen, die sich um die Kranken und Aussätzigen gesorgt hat, und diesen Sommer wurde „Kolpings Traum“ uraufgeführt. Der Priester hatte sich im 19. Jahrhundert dem Elend der Industrialisierung entgegen gestemmt.
Größter Erfolg von Scholz und Martin ist aber bisher „Die Päpstin“, die sowohl in Fulda als auch in Hameln und in Brünn gespielt wurde. In der tschechischen Stadt ist auch Regisseur Stanislav Mosa zu Hause. Wenn er nicht gerade Klosterbrüdern und -schwestern das Rocken lehrt, ist er Intendant des Stadttheaters Brünn. Da Peter Scholz vermutet, dass unter den 150<ET>000 Zuschauern bislang nur wenige Münchner waren, kommt er ihnen entgegen und setzte das Werk jetzt im Prinzregententheater an.
Während die Kritik wohlwollend bis beeindruckt und das Publikum überwiegend emphatisch auf „Die Päpstin“ reagierten, formulierte Heinz Josef Algermissen deutlich sein Missfallen: Der Bischof des Bistums Fulda erklärte vor der Uraufführung 2011, es sei ein „saudummer literarischer Stoff“ und eine „frivole Fiktion“. Für die Musical-Producer, die mit dem Katholizismus nur ein bisschen spielen wollen, ist die Strafpredigt eines führenden Klerikers natürlich ein Kreuzritterschlag mit unbezahlbarer PR-Wirkung. Und auch Titeldarstellerin Sabrina Weckerlin, selbst katholisch, sieht es entspannt: „Wir wollen nur eine gute und einzigartige Geschichte erzählen.“
Der Stoff, der den Bischof erregte, basiert auf dem Roman „Die Päpstin“ der US-Autorin Donna W. Cross, der vor zehn Jahren ganz vorne in den Bestsellerlisten stand und 2009 von Sönke Wortmann mit Johanna Wokalek verfilmt wurde. Der Roman wiederum stützt sich auf eine Legende, die sich Gläubige gerne erzählen, von Kirchenmännern aber abgelehnt wird wie Weihwasser vom Teufel: Im Jahr 855 wurde Papst Johannes Anglicus zum Nachfolger von Leo IV. gewählt. Dass der neue Mann auf dem Heiligen Stuhl eine Frau war, flog erst auf, als sie bei einer Prozession durch Rom eine Frühgeburt erlitt.
Das Musical erzählt von Kindheit an die Lebensgeschichte einer ungewöhnlichen Frau. Sabrina Weckerlin sieht die Johanna aus Ingelheim am Rhein nicht als Person, die ehrgeizig eine Spitzenposition anstrebte, sondern „einfach nur lesen und schreiben lernen wollte“.
Irgendwann ist sie ihren Zeitgenossen des frühen Mittelalters alleine durch ihr Wissen so überlegen, dass sie Zugang zu hohen kirchlichen Kreisen erlangt – natürlich als Mann getarnt.
Kirchenmusik und mittelalterlicher Leierklang spielen bei den Songs keine große Rolle, sondern verschmelzen als Zitate mit den poppigen, oft auch souligen und häufig ohrwurmverdächtigen Kompositionen. Leider spielt das Orchester nicht live, sondern die Musik kommt aus elektronischer Konserve. Und auch die Gastspiele in München werden auf den Segen des Fuldaer Bischofs verzichten müssen. Andererseits jedoch ist die Autorin der Romanvorlage ins Prinze eingeladen.
Prinzregententheater, 21. bis 29. September, 19.30 Uhr, 22., 28., 29. 9. auch 14.30 Uhr, Karten unter 54 81 81 81
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