"Gegen die Wand": Ein bisschen schräg ins Leben gebaut

München - Wie Kurt Cobain und Jim Morrison huldigt er einer poetischen Selbstzerstörung" charakterisierte Fatih Akin Cahit, den Helden seines preisgekrönten Films "Gegen die Wand" aus dem Jahr 2004, in einem Interview.
Sibel, die weibliche Hauptfigur, ist nicht minder autoaggressiv und beide begegnen sich zum ersten Mal in der psychiatrischen Abteilung einer Klinik. Sie hat sich die Pulsader aufgeschnitten, er ist in vollem Tempo mit dem Auto in eine Wand gekracht.
Und Sibel will Cahit unbedingt heiraten, um der traditionell patriarchalischen Welt ihrer türkischen Eltern und ihres Bruders zu entkommen.
Filmadaptionen als zweites Standbein
Das Zentraltheater - die Bühne der Schauspielschule Zerboni in der Paul-Heyse-Straße - hat die Adaptionen von Filmen zu einem Standbein seines kleinen, aber feinen Spielplans gemacht: Fassbinders "Angst essen Seele auf" oder Heinz Weingartners "Die fetten Jahre sind vorbei" liefen hier schon und für dem Herbst ist Kubricks "Uhrwerk Orange" geplant.
Zu den regelmäßigen Gästen gehört sowohl als Regisseur als auch Darsteller Ercan Karaçayli, der auch "Gegen die Wand" inszenierte und die Rolle des Cahin übernahm.
Distanz zwischen Regisseur und Inhalt
Selten findet sich ein Regisseur, der sich von seinem Stoff so offen distanziert wie Karaçayli. In der Pressemitteilung bemängelt er am Film sowohl die "falsche oder überzogene" Darstellung der türkischen Vehältnisse als auch die "willkürliche Gewalt".
Mit der Theaterfassung von Armin Petras gehe es ihm nun um die "zwischenmenschlichen Begegnungen der Figuren" und den Ballast, den jeder "durch Herkunft und Schicksal" mit sich trägt.
Aus dem emotional starken wie atmosphärisch dichten Kinowerk von 140 Minuten ein 60-minütiges Stück Sprechtheater zu machen, das die die Entwicklung steuernde und plötzlich aufbrechenden Gewaltexzesse vermeidet, geht ohne Verluste nicht.
Eine entschärfte Tragödie
Ercan Karaçaylis Gegenentwurf ist eine sympathische Liebesgeschichte von zwei Leuten, die halt ein bisschen schräg ins Leben gebaut sind. Cahin spielt er selbst und Laura Jessat ist eine liebenwert aufgekratzte, manchmal leicht quietschige Sibel und beide lassen die Finger von den subtilen Verstörtheiten, von denen beide eigentlich getrieben sind.
Die übrigen Rollen verteilen sich auf Christine Adler und das Ex-Resi-Ensemblemitglied Michele Cuciuffo, die an der Entschärfung einer Tragödie zur charmanten Telenovela souverän mitwirken.
Zentraltheater, die Vorstellungen bis Freitag sind ausverkauft, weitere Vorstellungen 25. bis 27. Juni, 19.30 Uhr, www.zentraltheater.de