Geballte Primadonnenpower im Gärtnerplatztheater

Manche Opernhäuser wären froh, wenn sie eine Primadonna hätten. Das Staatstheater am Gärtnerplatz hat gleich vier: Mária Celeng, Jennifer O'Loughlin, Camille Schnoor und Judith Spießer. Sie vereinten sich am Samstag zu einem unterhaltsamen Programm, das Bekanntes, Unbekanntes, Ernstes und Heiteres in ein erfreulich austariertes Wohlverhältnis brachte. Auch nach Corona wird dieses Programm als Gegenstück zu den tenoralen Herzensbrechern eine Perle im Spielplan bleiben.
Das Orchester des Gärtnerplatztheaters begann mit dem Inbegriff von Primadonnenmusik: dem Anfang von Vincenzo Bellinis "Casta diva". Die berühmte Arie aus der Oper "Norma" wollte allerdings keine der vier Damen wagen, dafür folgte später das Duett "Mira o Norma", tadellos gesungen von Camille Schnoor und Jennifer O'Loughlin.
Weniger Textverständlichkeit durch vier Stimmen
Am Beginn stand der gespielte Streit: im Terzett aus Mozarts Hinterbühnenfarce "Der Schauspieldirektor", gefolgt von Carl Millöckers "Wir armen Primadonnen" (aus "Der arme Jonathan") - erweitert auf vier Stimmen, was die Textverständlichkeit leider nicht verbessert.
Alle vier Damen stellten sich im Verlauf des Abends gemeinsam und solistisch vor. Camille Schnoor sang sehr eindringlich eine Arie aus Puccinis "Madame Butterfly", Judith Spießer verbreitete Lebensfreude mit "Je veux vivre" aus Gounods "Roméo et Juliette", Jennifer O'Loughlin meisterte eine hochvirtuose Arie aus Meyerbeers "Die Hugenotten" und Mária Celeng drang mit Dvoøáks "Lied an den Mond" zum Herzen der Zuhörer an den Bildschirmen durch.
Die technische Vermittlung nivellierte die stimmliche Individualität der Sopranistinnen ein wenig. Die dramatische Koloratur ist die gemeinsame Spezialität des Quartetts. Wer die Damen schon öfter gehört hat, den dürfte die Einschätzung kaum überraschen, dass sich Jennifer O'Loughlin auf diesem Gebiet als Beste unter Gleichen erweist. Allerdings wäre der Amerikanerin kaum eine "Butterfly" zutrauen. Judith Spießer ist die bessere Komödiantin, Mária Celeng versteht sich besser wie ihre Kolleginnen auf sanfte Melancholie und Camille Schnoor kann ihre Kolleginnen notfalls auch am Klavier begleiten.
Gespielte Konkurrenz zwischen den Primadonnen
Jede der vier Primadonnen hat eine besondere Stärke, die der Abend herausstellt, während die Konkurrenz nur gespielt bleibt. Gegen Ende erschienen die vier rot gekleideten Damen als Walküren, ohne den Schritt ins Wagner-Fach zu wagen. Und das ist auch gut so, denn dafür gibt es andere Primadonnen, deren Stimmen für Vivaldi oder Mischa Spoliansky zu schwer wären.
Darijan Iveziæ begleitete die Primadonnen mit dem Orchester diskret. Die Zwischentexte (Regie: Nicole Claudia Weber) fassten sich kurz. Als Rausschmeißer gab es den obligatorischen Hilfeschrei nach Vorstellungen vor Publikum, Verdis "Sempre Libera", den Kusswalzer von Luigi Arditi und viel Applaus von anwesenden Theatermitarbeitern, die ihre vier Kolleginnen angemessen feierten. Und das mit Recht: Das Gärtnerplatztheater ist um seine Primadonnen wirklich zu beneiden.
Das Programm ist derzeit noch auf YouTube online, nach dem Wiederbeginn des Spielbetriebs wird es auch live zu sehen sein, Termine stehen derzeit noch nicht fest