"Für immer ganz oben" von Birgitta Muntendorf im Müller'schen Volksbad

Nach viel Mäßigem erscheint das Mittlere vielversprechend. Eine Kurzgeschichte des 2008 verstorbenen David Foster Wallace als Vorlage zu wählen, ist für die Verhältnisse der Biennale für Neuen Musiktheaters bereits die maximale Gegenwärtigkeit. Knabenchöre und ein Pop-Ensemble erklingen auch nicht jeden Tag im obersten Stockwerk des Elfenbeintürmchens der Klassik-Avantgarde.
Brigitta Muntendorfs Musiktheater „Für immer ganz oben“ schildert den Gedankenstrom eines Jungen an seinem 13. Geburtstag. Er nimmt körperliche Veränderungen wahr, Ahnungen sexuellen Begehrens und eine unbestimmte Trauer. Es ist ein Initiationsritus in die Männlichkeit, der in der Erzählung mit dem Sprung ins Wasser endet.
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Das Schwimmbad spielt bei Wallace eine Nebenrolle. Die mit dem Münchner Volkstheater koproduzierte Aufführung in der Kleinen Schwimmhalle des Müller’schen Volksbads rückt den Schauplatz hyperrealistisch ins Zentrum. Die heikle Übersetzung eines inneren Monologs ins Dramatische hat der Bearbeiter und Regisseur Abdullah Kenan Karaca nicht wirklich gelöst. Das Schwebende verwandelt sich – wie bei jeder Dramatisierung – in vordergründige Direktheit. Auch die Ehekrise der Eltern bekommt einen höheren Stellenwert als in der Erzählung.
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Leider lässt sich der Monolog kaum von einem 13-Jährigen sprechen. Karaca hat den Text auf mehrere Rollen verteilt: Bei einer Vorlage, die mit der Ästhetik des Nouveau Roman spielt, scheint das doch unterkomplex.
Der Münchner Knabenchor vervielfacht musikalisch mehr oder weniger die Hauptfigur, szenisch deutet er mit weiblichen Perücken auch das Begehren des Jungen an. Szenisch wie musikalisch stellt sich diese von Ralf Ludewig geleitete Abspaltung des Tölzer Knabenchors mit dieser Aufführung das allerbeste Zeugnis aus.
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Brigitta Muntendorfs Musik konzentriert sich auf wiederkehrende, offenbar leicht veränderte Loops, die von einer E-Gitarre, Keyboard, Cello und Schlagzeug begleitet werden. Der Schwimmhallenhall des Volksbads lässt Instrumente und Gesang zu einem Gesamtklang verschmelzen.
Dass sich die Komposition ein wenig schlicht im Kreis dreht, mag dramaturgisch dem Gedankenstrom und seinen Fixierungen geschuldet sein. Doch gerade der Rekurs auf Pop stößt einen mit der Nase drauf, dass dort heute oft experimenteller gedacht wird als in der Neuen Musik. Um die Gedanken eines 13-Jährigen zu vertonen, muss man nicht schreiben wie für eine Schülerband.
Wieder am 3., 4., 5. Juni, 20.30 Uhr im Müller’schen Volksbad