Interview

Früherer "Dahoam is Dahoam"-Regisseur: "Ich weine manchmal selbst bei den Proben"

Thomas Stammberger hat bei Serien wie "Dahoam is Dahoam" und "Marienhof" mitgewirkt. Jetzt bringt der Regisseur und Autor in Straubing ein Stück bayerischer Geschichte auf die Bühne: Agnes Bernauer und ihre tragische Liebe zu Herzog Albrecht III.
Rosemarie Vielreicher |
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Elena Hammerschmid, geboren 2000 in Regensburg, spielt in diesem Jahr Agnes, ihr Albrecht: Sebastian Josef Danner (*1984 in Straubing).
Jürgen Sperl 4 Elena Hammerschmid, geboren 2000 in Regensburg, spielt in diesem Jahr Agnes, ihr Albrecht: Sebastian Josef Danner (*1984 in Straubing).
Die Darsteller von Agnes Bernauer und Herzog Albrecht III.: Elena Hammerschmid und Sebastian Josef Danner.
Jürgen Sperl 4 Die Darsteller von Agnes Bernauer und Herzog Albrecht III.: Elena Hammerschmid und Sebastian Josef Danner.
Thomas Stammberger bei den Proben zu Agnes Bernauer.
Jürgen Fischer 4 Thomas Stammberger bei den Proben zu Agnes Bernauer.
Regisseur und Autor Thomas Stammberger.
Daniela Pfeil 4 Regisseur und Autor Thomas Stammberger.

Straubing/München - Agnes Bernauer hat im 15. Jahrhundert einem Wittelsbacher ordentlich den Kopf verdreht. Das Problem: Sie war eine einfache Baderstochter aus Augsburg, ihr Liebster kein Geringerer als Herzog Albrecht III. von Bayern-München. Das passte nicht zusammen, zumindest nicht für Albrechts Vater Herzog Ernst.

Er ließ die Bernauerin, wie sie umgangssprachlich gern genannt wird, wegen Zauberei verurteilen und am 12. Oktober 1435 in Straubing in der Donau ertränken.

Alle vier Jahre bringen die Straubinger dieses Stück bayerischer Geschichte mit großem Aufwand auf die Bühne. An diesem Freitag ist Premiere. Dafür angekündigt haben sich unter anderem Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger sowie der Europaabgeordnete Manfred Weber. Regisseur ist dieses Mal einer, der sich mit dem Stoff bestens auskennt und zugleich schon bekannte Serien fürs Fernsehen gedreht hat: Thomas Stammberger.

Regisseur und Autor Thomas Stammberger.
Regisseur und Autor Thomas Stammberger. © Daniela Pfeil

AZ: Herr Stammberger, früher haben Sie für "Dahoam is Dahoam" und "Marienhof" gearbeitet. Jetzt sind Sie der Regisseur des neuen Agnes-Bernauer-Festspiels in Straubing. Was reizt Sie daran?
THOMAS STAMMBERGER: Ich komme ja ursprünglich aus dem "seriösen" Fach, habe Theaterwissenschaften studiert und erstmal lange klassisches Theater gemacht. Erst mit Ende 20 habe ich zum Fernsehen gewechselt und war dort auch in diversen Unterhaltungsformaten tätig. Vom Handwerk ist das nichts grundlegend anderes. Im seriösen Fach wie auch in der Daily funktionieren die wesentlichen erzählerischen Elemente ähnlich. Mich interessiert das Tragische genauso wie das Komödiantische und ich arbeite schon immer gern in der Breite: mal das große Drama, mal "Dahoam is Dahoam". Die Straubinger waren 1995, kurz nachdem das erste meiner Stücke im Fernsehen lief, mit die ersten, die mich als jungen Autor mit einem Historienspiel beauftragt haben - einer früheren Agnes-Bernauer-Fassung. Eigentlich mache ich jetzt nur noch sehr wenig Amateurtheater, aber 2020 kamen die Straubinger erneut und fragten mich für Buch und Regie an. Ich habe von Anfang an gesagt: Wenn, dann müssen wir es gscheid machen. Und wir machen das jetzt gscheid!

"Eine intelligente Frau mit Schlagfertigkeit, Humor und Lebenslust"

Die Liebesgeschichte rund um Agnes Bernauer und ihren Albrecht hat ein dramatisches Ende. Gibt es dennoch im Stück etwas zu lachen?
Ja, doch, auch wenn ich nicht zu viel verraten möchte. Ich unterstelle Agnes Bernauer, einer Frau, die es als Badersdirn geschafft hat, sich fast sieben Jahre lang gegen vehemente Widerstände im Hochadel am Bayerischen Hof zu behaupten, dass sie eine intelligente Frau war, mit Schlagfertigkeit, auch mit Humor und Lebenslust, die oft einmal amüsieren. Aber natürlich gibt es in den sieben Jahren, die wir erzählen, immer weniger zu lachen - bis hin zum bitteren Ende in der Donau.

Wie schwer ist es, ein Stück neu zu inszenieren, dessen Ende so festgenagelt ist: Sie wird in der Donau ertränkt.
Ich habe versucht, einen neuen, zeitgemäßen Blick auf den Stoff zu werfen. Weniger romantisierend. Schneller, moderner, vielschichtiger. Die Figuren sind ambivalenter, manchmal auch widersprüchlich und in sich zerrissen. Es ist 2024 keine naive, sondern eher eine recht moderne, höherentwickelte, fast partnerschaftliche Liebe. Und die Erzählweise ist eine komplett andere: Was mir Spaß macht, sind suggestive Ansätze. Mit welchen Mitteln erzeugen wir Emotionen? Oft ist es nicht das gesprochene Wort, sondern es sind die Bilder, die Musik, das Licht. Wir erzählen viel, aber vieles auch ohne Dialog. Ich habe den Filmkomponisten Johannes Molz an meiner Seite, den ich unbedingt haben wollte. Im Stücktext steht wie im Drehbuch für einen Film etwa auch "Montage" oder "Überblendung" oder "Musik, die sich anhört wie weit aus dem Weltall".

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Steckt auch ein bisserl "Dahoam is Dahoam" drin?
Nein, soweit würde ich nicht gehen. Aber was macht uns Menschen denn aus? Wir wollen dazugehören! Und schon sind wir gleichermaßen bei "Dahoam is Dahoam" und Agnes Bernauer: Die einen wollen ihren Platz in der Dorfgemeinschaft, die andere kämpft als Baderstochter um ihren Platz im höfischen Reigen. Gleichzeitig sucht ihr geliebter Herzog Albrecht nach einem Ort, einem Arrangement, wo Liebe wachsen und gedeihen kann. Und natürlich schmerzt es auch den bayerischen Thronfolger, wenn er ausgestoßen und vom Vater verbannt wird, weil dieser die Wahl einer Unstandesgemäßen als Frau an seiner Seite nicht goutiert.

"Wo finde ich Freiräume, um das zu erzählen, was ich eigentlich erzählen will?"

Haben Sie Details über die Bernauerin herausgefunden, die noch nicht so bekannt waren?
Ja, auch. Einige. Aber 30 Jahre nach meinem letzten Stück über den Stoff war mir fast wichtiger: Wo finde ich Freiräume, um das zu erzählen, was ich eigentlich erzählen will - über die historischen Fakten hinaus? Also, wo sind Sachen nicht so klar, wo ist Platz für eigene Ansätze?

Wo zum Beispiel?
Man weiß bis heute nicht sicher, ob Agnes und Albrecht verheiratet waren. Sicher nicht in einem offiziellen Akt, aber: Haben sie sich vor Gott die ewige Treue geschworen und gegenseitig zu Mann und Frau erklärt? Ich habe mit unserem historischen Fachberater Werner Schäfer viel darüber diskutiert. Aus dem geschichtlichen Kontext gehen wir davon aus, dass es eine heimliche Eheschließung gab. Aber wie ich im Stück damit umgehe, ist eine eigene freie Interpretation. Auch wollte ich dringend einen höheren Repräsentanten des christlichen Glaubens, der 1435 ja jedermanns Leben bestimmt hat. So sind wir auf die Suche nach einer historischen Figur gegangen, der ich eine von mir im Vorfeld definierte Mentalität in den Mund legen darf.

Thomas Stammberger bei den Proben zu Agnes Bernauer.
Thomas Stammberger bei den Proben zu Agnes Bernauer. © Jürgen Fischer

Und, sind Sie fündig geworden?
Ja. Bischof Peter von Augsburg erblickt als Berater des Hofes zum ersten Mal das Licht der Bühne. Ebenso der Kanzleischreiber Martin Weidacher, ein sehr enger Vertrauter des Thronfolgers. Er und sein differenzierter Blick auf die Geschichte spielen 2024 eine große Rolle.

Wer ist Ihre Lieblingsfigur?
Oje, ich habe 76 Sprechrollen und wir sind insgesamt fast 200 Akteure. Da wird es schwierig zu sagen, wer die Lieblingsfigur ist. Es gibt einige.

"Wir haben eine sensationelle Darstellerin. [...] ich weine manchmal selbst bei den Proben! "

Nicht die Agnes?
Erst einmal die Agnes, ja. Wir haben eine sensationelle Darstellerin. Sie macht das so gut ... ich weine manchmal selbst bei den Proben! Wir haben überhaupt eine super Besetzung. Alle sind höchst diszipliniert und motiviert, so wie ich es selten erlebt habe. Aber auch dieser treue Albrecht, der es seinem Vater und dem Herrgott recht machen will und der trotzdem diese Liebe leben und ein guter Politiker sein will, den sie das aber nicht lassen, weil er vermeintlich die falsche Frau erwischt hat. Mit all dieser Zerrissenheit geht einem das schon ans Herz.

 


Zu den Aufführungen: Die Agnes-Bernauer-Festspiele finden von 21. Juni bis 21. Juli im Innenhof des Straubinger Schlosses statt. Sie zählen zum Immateriellen Kulturerbe Bayern. Mehr dazu: www.agnes-bernauer-festspiele.de

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