Kritik

Frida Kahlo als Tanzstück im Deutschen Theater

Leben, Lieben, Leiden: das mitreißende und bewegende Leben der Frida Kahlo mit viel Musik, choreografiert von Enrique Gasa Valgas
von  Vesna Mlakar
Traumpaar mit Spannungen und Abgründen: Gabriel Marseglia als Diego Rivera mit seiner Frau Frida Kahlo (Pilar Fernández Sánchez.
Traumpaar mit Spannungen und Abgründen: Gabriel Marseglia als Diego Rivera mit seiner Frau Frida Kahlo (Pilar Fernández Sánchez. © Susanne Brill

Es gibt Schicksale, die lassen niemanden kalt. Doch selten hat jemand den eigenen Schmerz und seine Leidenschaft für das Leben dermaßen eindrücklich für die Nachwelt in Bildern festgehalten wie Frida Kahlo (1907-1954): mit der Malerin selbst als Ikone. Das eigenwillig-überbordende ihrer Persönlichkeit wurde zum Symbol für explosive Vitalität. Wo immer es Werke der berühmten lateinamerikanischen Künstlerin zu sehen gibt, sind sie Publikumsmagnet. Ihre Geschichte wurde verfilmt und schon öfter choreografisch verarbeitet - szenisch am radikalsten wohl durch Johann Kresnik, dessen Tanztheater-Version vor 13 Jahren im Prinzregententheater zu erleben war.

Lara Brandi ist die ältere Fida Kahlo, die sich - nach Unfall, Betrug und Affären - zurückerinnert.
Lara Brandi ist die ältere Fida Kahlo, die sich - nach Unfall, Betrug und Affären - zurückerinnert. © Susanne Brill

Zerschmetternden Busunfall und der Heirat mit Diego Rivera

Genauso lange liegt die Uraufführung von Enrique Gasa Valgas Tanzstück "Frida Kahlo" zurück - einer preisgekrönten Kammerspiel-Produktion des Tiroler Landestheaters. Anders als in Kresniks provokativem "choreografischen Theater" werden bei Gasa Valga keine ästhetischen Grenzen gesprengt. Dem Zuschauer wird vielmehr die innere Zerrissenheit Frida Kahlos nach ihrem tragischen, sie vollkommen zerschmetternden Busunfall und der Heirat mit dem notorisch fremdgehenden, berühmteren Maler-Kollegen Diego Rivera auf tänzerisch feinfühlige und gleichzeitig stark aufwühlende Weise nahegebracht: wie in einem assoziativen Rausch.

Tanz, Musik, Rhythmus: Das Ensemble und die Band in "Frida Kahlo".
Tanz, Musik, Rhythmus: Das Ensemble und die Band in "Frida Kahlo". © Susanne Brill

Frida Kahlo zweimal und dann noch die Stimme der Sängerin

Man hört Lärm und Glas splittern. Dunkelheit verschlingt das soeben noch fröhliche Tanztreiben. Blaues Scheinwerferlicht beendet diesen ersten "gedehnten Augenblick". Mitten auf der Bühne steht im langen roten Gewand Lara Brandi. Im Wechsel mit Pilar Fernández Sánchez interpretiert sie Frida Kahlo - besonders deren schmerzvolle, tragische Seite. Je weiter der Abend fortschreitet, desto enger lässt Choreograf Valga seine beiden Kahlo-Interpretinnen miteinander verschmelzen. Pilar Fernández Sánchez - anfangs die kindlich lebenslustige Frida und junge Ehefrau wird mehr und mehr zur Traumgestalt und intimen Doppelgängerin.

Mariachi-Klänge oder Haifisch-Moritat

Das hat eine Sogkraft zur Folge, auch wenn das Zuordnen bestimmter Figuren wie der des Vaters (Martin Segata), des russischen Revolutionärs Leo Trotzki (Sprungwunder Mitsuro Ito) oder der Tänzerin im schwarzen Kleid als Tod (Sayumi Nishii) nicht immer leichtfällt. Aber Valga beherrscht die Kunst des "Etwas-Passieren-Lassens" vorzüglich. Seine Nebenfiguren führt er meist nur kurz szenisch ein, manchmal bloß im Hintergrund einer rasanten Ensemblepassage. Wenig später stehen die Tänzerinnen und Tänzer dann plötzlich im Zentrum und überwältigen das Publikum, indem sie je nach Rollentypus springen, jazzig steppen oder ihre Hüften androgyn schwingen. Der Kubaner Cosme Tablada Moreno ist eine charmante Überraschung in seiner (Travestie-)Rolle als Josephine Baker, der man eine Amour mit Kahlo nachsagt.

"Der große Gatsby" war schon Publikumsmagnet

Als zweites Gastspiel nach Valgas "Der große Gatsby" und seiner frei tourenden Limonada Dance Company hatte nun die Neuauflage dieses sinnlich-emotional packenden Kahlo-Biopics Premiere im Deutschen Theater. "Gatsby" wie "Kahlo" ähneln sich in ihrer Machart sowie der teils flüchtigen Skizzierung von Figuren und Begebenheiten. Wie schon bei "Gatsby" sind jetzt auch die gebürtige Boznerin Greta Marcolongo mit ihrer fantastischen Band unter der musikalischen Leitung von Roberto Tubaro (Klavier, Gitarre, Bass, Stimme) dabei und begleiten die 13 Tänzerinnen und Tänzer live auf der Bühne. Und das tun alle Musiker sensationell!

Meister der biografischen Tanzrevue

Ob Mariachi-Klänge oder die Haifisch-Moritat von Brecht/Weill: Greta Marcolongo verleiht "Frida Kahlo" eine unvergessliche Eindringlichkeit.
Ob Mariachi-Klänge oder die Haifisch-Moritat von Brecht/Weill: Greta Marcolongo verleiht "Frida Kahlo" eine unvergessliche Eindringlichkeit. © Susanne Brill

Ob Mariachi-Klänge oder die Haifisch-Moritat von Brecht/Weill: Greta Marcolongo verleiht Valgas "Frida Kahlo" in der Münchner Neufassung eine unvergessliche Eindringlichkeit. Wenn Marcolongo nicht singt, rezitiert sie Worte und Tagebuchstellen der Malerin so expressiv, dass sie den beiden Interpretinnen der choreografierten Kahlo-Rolle manchmal die Show zu stehlen droht.

Enrique Gasa Valga ist ein Meister der biografischen Tanzrevue. Einziges Manko mag die allzu deutliche Nummernhaftigkeit sein. Der rasche Fluss und stetige Schwung der Choreografie - in Kombination mit der omnipräsenten Live-Band - setzen inhaltlich eigene, originelle Akzente.

Noch bis 22. Juni im Deutschen Theater., ab 29 Euro,
deutsches-teater.de

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