Kritik

"Figaros Hochzeit" im Schloss Nymphenburg: Heiterkeit in olivgrünen Zeiten

Die Kammeroper München spielt "Figaros Hochzeit" im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg.
von  Robert Braunmüller
Das junge Ensemble der Kammeroper München bei der Aufführung von Mozarts "Le nozze di Figaro" im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg.
Das junge Ensemble der Kammeroper München bei der Aufführung von Mozarts "Le nozze di Figaro" im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg. © Tobias Melle

München - In öffentlichen Bücherschränken stehen häufig die Bände eines amerikanischen Verlags, der Bestseller nach eigenen Angaben so zu verdichten vermochte, dass es die Autoren selbst nicht gemerkt haben sollen. 

Uminstrumentierung: Der Klang des Originals ist täuschend echt

In diesem Sinn hat Alexander Krampe "Le nozze di Figaro" für die Kammeroper München auf zweieinhalb Stunden reine Spielzeit gekürzt: Selbst der Kenner wird im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg nicht sagen können, was fehlt.

Das junge Ensemble der Kammeroper München bei der Aufführung von Mozarts "Le nozze di Figaro" im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg.
Das junge Ensemble der Kammeroper München bei der Aufführung von Mozarts "Le nozze di Figaro" im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg. © Tobias Melle

Auch im Orchester sprudeln am Beginn der Ouvertüre wie üblich die Streicher und das Fagott, ehe Hörner und die Oboe antworten und das Tutti schmettern. In Krampes Arrangement spielen zwar nur ein Streichsextett und ein paar wenige Bläser, doch der Klang des Originals ist täuschend echt. Das ist fast zu respektvoll, um wahr zu sein, denn der besondere Reiz der Aufführungen dieses Ensembles ist eigentlich die farbige Uminstrumentierung mit Akkordeon, die man Mozart nicht antun wollte.

Die Verdichtung verschiebt trotzdem die Gewichtung. Johanna Beiers melancholisch-würdige Gräfin ist in ihrem künstlerischen wie melancholischen Ernst die Ausnahme. Alle anderen Figuren betonen in Maximilian Berlings Inszenierung das Naiv-Komödiantische, weshalb Mozarts gern beschworene Menschenkunde in dieser Aufführung keine besonders große Rolle spielt.

Das junge Ensemble der Kammeroper München bei der Aufführung von Mozarts "Le nozze di Figaro" im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg.
Das junge Ensemble der Kammeroper München bei der Aufführung von Mozarts "Le nozze di Figaro" im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg. © Tobias Melle

Das Grollen der Französischen Revolution bleibt unhörbar, die toxische Männlichkeit des Grafen bleibt harmlos, wirkt nie bedrohlich und seiner Überlistung durch Frauen und Diener fehlt jede höhere Dimension: Es ist ein munteres Spiel im Schloss, das die jungen Solisten hier aufführen.

Jonas Müller und Linus Mödl haben beide helle, gut geführte Bariton-Stimmen: Sie könnten die Rollen von Graf und Figaro auch tauschen, was hier aber im Sinn des komödiantischen Konzepts ist. Tabea Mitterbauer trägt als Cherubino eine Stoppelfrisur wie Verena Altenberger als Buhlschaft am Salzburger Domplatz. Wem das auffällt, der hat es schwer, die erwachsene Weiblichkeit des 21. Jahrhunderts mit der Rokoko-Hosenrolle und der pubertären Überschwänglichkeit der Figur zusammenzubringen.

Deutschsprachigkeit: Der Zuschauer vermag der Komödie mühelos zu folgen

Susanna (Elisabeth Freyhoff) und Barbarina (Veronika Seghers) sind als püppchenhafte Colombinen kostümiert. Nina Schumertl muss Marcellina wie üblich als Schreckschraube darstellen. Das hobelt ein paar weitere Millimeter Vielschichtigkeit von Mozarts Figuren.

Dass Cherubino (Tabea Mitterbauer) in "Non più andrai" zum Militär geschickt wird, hätte in unserer olivgrünen Zeit womöglich ein Sekündchen lang Schauern erregt: Die Verantwortlichen schonen die Besucher und schicken ihn als Gärtner in die Antarktis. Trotz mancher etwas altbackenen Wendung ist die Deutschsprachkeit dieser Aufführung neben ihrer musikalischen Qualität einer ihrer Stärken: Der Zuschauer vermag der Komödie mühelos zu folgen. Und das ist ein Vorzug, der diese Aufführung vom mittlerweile allgegenwärtigen italienischen Original-"Figaro" unterscheidet.


Weitere Vorstellungen bis 18. September und ab 27. Dezember im Cuvilliéstheater. Karten bei München Ticket

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