Felix Hafner im AZ-Interview über "Herkunft" am Volkstheater
Das Stück blickt aus privater Perspektive auf die Welt, insbesondere auf Europas Südosten und Deutschland in den letzten vier Jahrzehnten. Für seinen autobiografischen Roman "Herkunft" erhielt Sasa Stanisic 2019 den Deutschen Buchpreis. Felix Hafners Bühnenadaption hat am Donnerstag Premiere. Im AZ-Interview erzählt er von seiner Herkunft und über seine Verbindung zu Sasa Stanisics Roman.

Hafner über sein Herkunftsland Österreich
AZ: Herr Hafner, Sie sind häufig in Ihrem Herkunftsland Österreich tätig. Wie ist dort gerade das Kulturklima?
FELIX HAFNER: Es war nach den ersten Lockerungen irrsinnig schwierig, weil man das Gefühl hatte, dass überhaupt nichts passiert. Aber mit dem Wechsel bei den Kulturstaatssekretärinnen von Ulrike Lukacek zu Andrea Mayer hat man plötzlich gespürt, dass auch in der Politik angekommen ist, wie wichtig die Kultur ist und ein Bestandteil, den es zu schützen gilt.
Daraufhin gab es zumindest die Sicherheit, dass Dinge, unter welchen Bedingungen auch immer, stattfinden können. Das war für viele Künstlerinnen und Künstler ein ermutigender Schritt. Trotzdem gab es viele, die nach den Ausfällen in finanziellen Schwierigkeiten sind. Das kann man nicht leugnen.
Herkunft als Begriff mit Widersprüchen und Vielschichtigkeit
Man weiß von Ihnen, dass Sie aus der Steiermark kommen. Trotzdem und im Hinblick auf das Stück, das Sie gerade inszenieren, die Frage: Was ist Ihre Herkunft? Was bedeutet Sie Ihnen?
Wenn man sich näher damit beschäftigt und auch mit dem Roman zeigt es sich, dass Herkunft aus mehreren Herkünften besteht. Ein vollständiges Bild ergibt sich erst, wenn man diese alle in Betracht zieht. Dementsprechend ist natürlich der Ort, von dem ich herkomme, für mich geklärt, wenn ich es eindimensional sehe.
Wenn ich mir dann Gedanken darüber mache, welche Orte mich zu dem gemacht haben, was ich bin, wird es wesentlich breiter. Das ist das, was man aus dem Text von Stanisic herauslesen kann. In diesem Fall ist Herkunft nicht eingrenzbar, sondern ein Begriff, an dem Widersprüche und Vielschichtigkeiten bewusstwerden.
Sasa Stanisics Perspektive auf Herkunft
Was erfahren wir in diesem Stück über den Autor des Romans?
Wir erfahren, dass seine Herkunft von verschiedenen Seiten aufgerollt werden kann. Bei uns ist das strukturiert durch sechs Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne, die verschiedene Stränge seiner Herkunftssuche verfolgen. Interessant ist, dass der Auslöser, das Buch zu schreiben, seine Großmutter war. Sie wurde dement und so, wie ihre Vergangenheit und ihre Erinnerungen verschwinden, wollte er seine sammeln.
Es war klar, er würde viel über seine Familie schreiben und natürlich über seine Vergangenheit in Jugoslawien. Erst beim Schreiben bemerkte er, dass auch seine Ankunft und die Teenagerzeit in Heidelberg genau so seine Herkunft ist und genau so wichtig war. Wir versuchen, diesen verschiedenen Teilen von der Geschichte Jugoslawiens über die Familie und die Großmutter bis zur Ankunft in Heidelberg und seiner jetzige Perspektive in Hamburg Raum zu geben.
Vom Roman auf die Bühne des Volkstheaters
Wie sind Sie auf diesen Text gekommen?
Es begann in dem Moment, als das Buch angekündigt wurde. Meine Partnerin erfuhr, dass Sasa Stanisic einen neuen Roman herausbringen wird, der "Herkunft" heißt. Schon der Klappentext, der vorab im Internet zu lesen war, hat mich gefesselt. Im letzten Sommer habe ich es dann gelesen und fand es großartig. Aber es schien mir ausgeschlossen, das im Theater zu machen. Außerdem bekam ich heraus, dass der Autor verständlicherweise einer Dramatisierung sehr skeptisch gegenüber stand. Als ich hier im Volkstheater gerade auf Stoffsuche war, kam die Dramaturgie auf die Idee, ob "Herkunft" nicht etwas für mich wäre.
Die Idee kam unabhängig von Ihnen aus dem Haus.
Genau. Ich hatte das schon in meinem Kopf weggeparkt und dann erinnerte ich mich an das, was mich an dem Buch so begeistert hat. Dann war mir klar: Wir müssen unbedingt versuchen, an die Rechte heranzukommen, denn das wäre irre spannend.
Volkstheater, Premiere am 22. Oktober, nächste Vorstellungen im Oktober 24., 25., 30., 20 Uhr, Karten unter 089 5234655 oder unter www.muenchner-volkstheater.de. Der Roman von Sasa Stanisic erschien bei Luchterhand.
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