Famos! So ist das Musical „Boybands Forever“

Deutsches Theater: Mit dem Musical „Boybands Forever“ analysiert Thomas Hermanns witzig, sexy und geistreich ein Pop-Phänomen
Adrian Prechtel |
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Die Boyband im Deutschen Theater.
Thomas Sgodda Die Boyband im Deutschen Theater.

Deutsches Theater: Mit dem Musical „Boybands Forever“ analysiert Thomas Hermanns witzig, sexy und geistreich ein Pop-Phänomen

Wenn die schwierige Balance aus Ironie und Bewunderung gelingt, wenn eleganter Witz und ernsthafte Perfektion zusammenkommen und der Sexappeal-Pegel an diesem Abend höher steigt als es die Chippendales in ihren besten Jahren jemals hinbekommen haben, dann ist es ein großer Wurf.

Oft ist es ja so: Ein mäßig bewegtes Publikum muss bemüht zum Mitgrooven aufgefordert werden. Bei „Boybands Forever“ aber flirrt von der ersten Minute an eine aufgekratzte Stimmung im Saal. Und am Ende schlägt die Begeisterung am Level eines Livekonzerts an, wie bei den Florida-Boys, die für „Everyone“ davon singen, dass die „Backstreet“ zurück ist.

Dass die Begeisterungskurve schon auf so hohem Niveau beginnt, ist dramaturgisch gar nicht vorgesehen, denn zur Einstimmung gibt es gezielte Peinlichkeiten: Videos hysterischer Teenie-Mädchen der 90er vor Take That, New Kids on The Block oder eben den Backstreet Boys. Dann kommt der Zeremonienmeister auf die Bühne, der Conférencier, Mitspieler und Publikumsdompteur Ole Lehmann, der augenzwinkernd die Mädchenfan-Hochfrequenz zum peinlichen „Fledermaus-Ton“ erklärt und sich gleich outet: „Deswegen bin ich schwul geworden!“ Der erste Showteil von „Boybands Forever“ ist eine witzig-geistreiche Analyse des kalkulierten Fünfer-Mix einer Boyband.

Ein Blick hinter die Kulissen

Womit die allesamt hochklassigen Sänger-Tänzer eingeführt werden – beginnend mit dem Sunshine-Boy („der nicht nach Geschlechtsverkehr aussehen durfte“, weil sonst die Eltern ihre Töchter nicht aufs Konzert gelassen hätten). Dann gibt es den Sixpack-Jungen („Dackelblick, aber mit Po einer römischen Statue“) und es geht weiter zum Sweatheart (das in die Boyband verirrte „Mädchen“ und natürlich vertuscht schwul, was später zu Wirbel und Spannungen in der Band führt). Dann braucht man als Pfeffer noch den teuflischen Bad Boy. Bleibt der „unbesungene Held“, der Fünften, den man angeblich schnell wieder vergisst, der aber hier mit dem Amerikaner Hector Mitchell-Turner einprägsam besetzt ist.

Weiter schaut man hinter die Kulissen, wobei der Mythos ausgehebelt wird, nur Frauen würden sich hoch schlafen: Zum Song „Quit Playing Games“ wird der schwule Manager an die Pole-Dance-Stange gefesselt und übers Ohr gehauen vom strippenden Tanzwunder-Briten Robbie Culley im Snoopy-T-Shirt. Die Band steht und es geht es los mit Fitness, Gesang, Moves und Klamotten. Und die Frage, ob frisch formierte Boyband-Mitglieder jetzt noch ihre feste Freundin behalten können, wird nach dem ironischen Abschieds-Einsatz von „I Never Break Your Heart“ klar mit „nein“ beantwortet.

Boybands forever!

Die Prosecco-Pause hat die Stimmung weiter gelockert. So geht es in den Konzertteil, in dem Tanz, Gesang und Musik voll aufgedreht und ausgespielt werden. Die amüsante Boyband-Analyse ist jetzt der Bewunderung gewichen für die unfassbare Physis, die gekonnte Eleganz und große Musikalität des „Boyband-Forever“-Casts. Auch Bruchstellen wie Drogen- und Alkohol, Sex-Skandale und Rivalitäten werden angedeutet. Und wenn am Ende Lehmann unter großem Protest des Publikums die Ära der Boybands mit den 90ern für untergegangen erklärt, mogelt sich in die Boyband-Nostalgie dann doch das: „Forever“!

Denn mit One Direction ist erst 2010 eine unglaubliche Erfolgs-Fortsetzung gecastet worden, so dass für alternden Fans ihre Boyband-Episode doch eine „Story of My Life“ bleiben kann. Nur einen kurzen Moment strauchelt die Show, als das Entertainment-Genie Ole Lehmann, peinlich penetrant Selfmarketing für sich und die Show betreibt: Alle sollen wie Fan-Stimmvieh jetzt eifrig liken, posten und filmen. Aber groovend dabeisein und gleichzeitig mit dem Handy hantieren geht halt nicht und senkt die Erregungskurve kurz.

Aber mit „Boybands Forever“ ist Regisseur und Texter Thomas Hermanns etwas Einschlagendes gelungen. Einfach nur auf die Durchschlagskraft aneinandergereihter Superhits zu setzten, wäre billig gewesen. So aber ist „Boybands Forever“ eine geistvoll ironische, gleichzeitig flippig glitzernde, erotische Feier eines großen Pop-Phänomens geworden.

Deutsches Theater, Di bis Sa, jeweils 19.30 Uhr, So, 14.30 Uhr, 25 bis 68 Euro, Telefon 55 23 4444

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