Kritik

Familie Flöz mit "Feste" im Prinzregententheater: Über alle Mauern hinweg

Die Familie Flöz gastierte mit ihrer Produktion "Feste" im Prinzregententheater.
von  Michael Stadler
Diese Hochzeit wird noch einen ungewohnten Ausgang nehmen.
Diese Hochzeit wird noch einen ungewohnten Ausgang nehmen. © Foto: Simon Wachter

München - Da sind sie wieder, die berühmten Maskenspieler der Familie Flöz, und erzählen auf der Bühne des Prinzregententheaters ohne Worte eine Geschichte. 

"Feste" in München: Kontraste bestimmen das Bühnenbild

Die Berliner Truppe zeigte zuletzt im April 2022 am gleichen Ort mit "Dr. Nest" ein Märchen, das in einer psychiatrischen Anstalt spielte und in dem es um alte Wunden und deren mögliche Heilung ging. So anders nun die Produktion "Feste" ist, so ist sie doch flöz-typisch voller Figuren, die allesamt ihre Macken haben. Und auch hier geht es darum, dass wir alle ein sicheres Nest fürs ganze Leben finden wollen.

Das Bühnenbild von Felix Nolze macht dabei von Anfang an einen Kontrast zwischen einer ausgelassen feiernden Hochzeitsgesellschaft und all dem auf, was jenseits von Party und Reichtum liegt. Der Hinterhof eines herrschaftlichen, mediterran wirkenden Hauses macht den Großteil der Bühne aus. Während zu Beginn aus einem der Fenster des seitlich gelegenen Domizils buntes Licht flackert und Disco-Musik herausdröhnt, stapeln sich vor den Türen schwarze Müllsäcke, die eigentlich zu einem hinten gelegenen, wegen einer Mauer nicht einsehbaren Mülldepots transportiert gehören.

Eine Obdachlose wird sich hinter dieser Mauer im Abfall verstecken. Sie konnte sich in diese Gated Community hineinschleichen - ein ratterndes Geräusch auf der Soundspur markiert immer wieder das Auf- und Zugehen eines Tors. Zudem hört man hin und wieder Helikopter über das Haus hinwegfliegen, was die Figuren kurz innehalten und nach oben schauen lässt. Der Fluglärm könnte ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, aber klingt dann doch eher bedrohlich und zeugt von Angst und Abschottung.

Nur drei Schauspieler bilden das Ensemble

Der Titel "Feste" spielt eben nicht nur auf das Feiern, sondern auch die "Festung Europa" an. Im Hintergrund sieht man auf einem gemalten Prospekt das Meer - vielleicht ist die Obdachlose ja übers Wasser ins Reichenbiotop geflüchtet? Schwanger ist sie, was den Pförtner einmal zum streichelnden Vergleich mit seinem Wohlstandsbauch inspiriert. Ihm geht es offenbar gut; der heiteren, hochgewachsenen Haushälterin, der er trotz aller Streitigkeiten ziemlich nahe ist, auch.

Die Zwei gehören zu den Bediensteten, die sich von den Herrschaften des Hauses herumkommandieren lassen. Eine kleine Frau in Rot tritt hin und wieder in kerzengerader Strenge auf. Der Mann, der sie spielt, verkörpert aber gleichzeitig auch die schwangere Heimatlose. Allein schon beachtlich an diesem Abend ist, dass nur drei Spieler - Andres Angulo, Johannes Stubenvoll und Thomas van Ouwerkerk - einen ganzen Kosmos bevölkern. Was für rasante Kostümwechsel sie hinter der Bühne vollführen müssen, kann man als Zuschauer nur erahnen und in Gedanken bestaunen.

Vollmasken konturieren Ober- und Unterschicht

Die erneut von Hajo Schüler gebauten Vollmasken sind wieder in aller Gnubbeligkeit ausdrucksstark. Die Kostüme von Mascha Schubert konturieren gewitzt die Vertreter der oberen und unteren Schichten. Und das Spielertrio versteht es, unter Michael Vogels versierter Regie zu jeder Maske und jedem Kostüm eine andere markante Körperlichkeit zu erfinden.

Cello und Klavier liefern die musikalische Untermalung

Auch wenn die Geschichte manchmal etwas unübersichtlich ist, entstehen ästhetisch tolle Momente, etwa, wenn parallel zum Drehen einer melancholisch klimpernden Spieldose das Licht langsam heruntergedimmt wird. Und natürlich gibt es witzige Slapstick-Einlagen, etwa, wenn eine der Figuren in Hundekot tritt und beim Versuch, den Dreck und Gestank los zu werden, sich und sein Umfeld immer weiter kontaminiert. Das, was man mitunter verächtlich als den "Bodensatz der Gesellschaft" bezeichnet, lässt sich nun mal nicht so leicht abschütteln.

Der Pförtner und die Haushälterin aber beweisen, dass sie das Herz am rechten Fleck haben, als sie die arme Heimatlose entdecken. Dennoch soll sie rausgeschmissen werden, löst aber dann so entschlossen die Rückenprobleme des Hausherrn, dass auch er sie bleiben lässt.

Publikum belohnt die Darsteller mit tosendem Applaus

Von der Seite spielen Maraike Brüning am Klavier und Majella Münz am Violoncello wohl dosiert Musik ein, untermalen einfühlsam eine Geschichte, die insgesamt doch etwas sentimental ist, aber auch einige abgründige Momente zu bieten hat. Die Maske enthüllt die menschliche Natur, im Guten wie im Schlechten. Die Braut entflieht den Hochzeitsfeierlichkeiten und trifft auf die Obdachlose, Reich und Arm begegnen sich auf einer Parkbank.

So tragisch manche Wendung ist, so optimistisch wird hier letztlich an die Kraft der Gemeinschaft und das Gute im Menschen geglaubt. Als Zugabe bilden die drei Spieler und die beiden Musikerinnen maskiert eine zusammengewürfelte Familie über alle Klassenschranken hinweg und spielen, mit ihren Fingern über eine Reihe von Gläsern streichend, noch einmal das musikalische Leitthema des Abends. Der tosende Applaus lässt darauf schließen, dass auch das Publikum mit in Schwingung geraten ist.

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