Erotik aus der Gruft
Es wird gesungen, gelitten und gestorben: Im Akademietheater verführen Untote nicht nur die Lebenden auf der Bühne.
München - Warum Bram Stoker unter Parasomnie litt, ist nicht überliefert. Dass der albtraumhafte Schlaf aber sein literarisches Schaffen maßgeblich beeinflusste, ist seit „Dracula“ dokumentiert. 1897 veröffentlichte der irische Schriftsteller seinen Blutsauger-Roman – und erlangte Unsterblichkeit.
Ein Krankenbett vor einer weißen Wand, darum ein bisschen Waldsterben und ein paar Riesen-Fliegen – Minimalismus beherrscht das Bühnenbild. In Frank Wildhorns Musical „Dracula“ ziehen die Darsteller die Blicke auf sich. Da räkeln sich Vampirinnen in schwarzer Spitze lasziv auf der Matraze, da streicht sich ein nackter Wahnsinniger verträumt über seine Wunden – und da thront in gefährlich-lässiger Pose der Graf auf seinem samtenen Barockstuhl und beobachtet die Szenerie.
Unterbrochen wird die Erotik des Augenblicks nur durch die Stimmgewaltigkeit ihrer Protagonisten. Die Studenten der Bayerischen Theaterakademie schmetterten bei der Premiere ihres Schauerstücks ihre Solos und Duette so inbrünstig in den Zuschauerraum, dass die Gruft am Prinzregentenplatz vor Schmerz und Sehnsucht bebte.
Die auf die Drehbühne abgestimmte Choreografie komplementierte währenddessen die bekannte Erzählstruktur: Graf Dracula (Christian Fröhlich) verliebt sich in die schöne Mina Murray (Sybille Lambrich), die sich zunächst gegen die Avancen des Untoten sträubt, seiner Anziehungskraft aber nicht lange widersteht.
Den Biss kann auch Minas Gatte Jonathan Harker (Jannik Harneit) nicht verhindern. Und so erfüllt sich die Prophezeiung von Draculas geistesgestörtem Diener Renfield, der grandios von Pascal Höwing gespielt wird. Die Geschichte geht nicht gut aus. Und tatsächlich: Die Liebe lässt den Unsterblichen sterben.
Akademietheater, Prinzregentenplatz 12, bis 7. Februar
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