Kommentar

Entmachtung oder Erleichterung? Katharina Wagner verlängert in Bayreuth

Die Festspielchefin bleibt, gibt aber die Geschäftsführung der Bayreuther Festspiele ab
von  Robert Braunmüller
Katharina Wagner im Festspielhaus.
Katharina Wagner im Festspielhaus. © picture alliance/dpa

Die Entscheidung ließ auf sich warten. Schon im nächsten Jahr wäre der Vertrag von Katharina Wagner ausgelaufen. Weil der Vorlauf im internationalen Opernbetrieb bis zu fünf Jahre und länger beträgt, bereitete die Wagner-Urenkelin seit Jahren Sommer-Spielzeiten vor, für die sie gar kein Mandat hatte.

Allerdings betonte Bayerns Kunstminister Markus Blume in der Vergangenheit mehrfach, dass er sich Bayreuth ohne ein Mitglied der Familie an der Spitze nicht vorstellen könne. Da scheint die Urenkelin des Komponisten derzeit alternativlos zu sein.

Komplizierte Strukturen

Am Montagabend gab Blume mit der auf seiten des Bundes zuständigen Kulturstaatsministerin Claudia Roth bekannt, dass der Vertrag von Katharina Wagner um weitere fünf Jahre bis 2030 verlängert werde. Geändert werden allerdings die Strukturen der Festspiele, die vom Bund, dem Freistaat, der "Gesellschaft der Freunde Bayreuths" und der Stadt Bayreuth finanziert werden. Weil die "Freunde" ihren Zuschuss verringern, steigern der Bund und der Freistaat ab 2025 ihren Anteil auf jeweils 36 Prozent. Bei den "Freunden" und der Stadt Bayreuth verbleiben jeweils 14 Prozent.

Bayerns Kunstminister Markus Blume (l.), Festspielleiterin Katharina Wagner (Mitte) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Münchner Kunstministerium.
Bayerns Kunstminister Markus Blume (l.), Festspielleiterin Katharina Wagner (Mitte) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Münchner Kunstministerium. © StMWK/Axel König

Katharina Wagner hatte bisher neben der Künstlerischen Leitung auch einen der beiden Geschäftsführerposten inne. Die 45-Jährige wird sich zukünftig allein auf die Kunst konzentrieren. "Die Geschäftsführung wird vollständig in die Hände eines General Managers gelegt; diese neue Position soll über ein Findungsverfahren so bald wie möglich besetzt werden", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung des Kunstministeriums und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Good Governance

"Die Festspielleitung verantwortet innerhalb der Gesellschaft den künstlerischen Bereich und hat im Rahmen des von den Gesellschaftern bereitgestellten künstlerischen Budgets volle künstlerische Freiheit", heißt es zur künftigen Konstruktion weiter. "Klar und effizient" werde die Führungsstruktur dadurch, so Markus Blume. Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth hofft im Managementsprech auf "Good Governance". Welche Rolle der derzeit zweite Geschäftsführer, Ulrich Jagels, noch spielen kann, der seit 2021 im Amt ist, blieb zunächst unklar.

Markus Söder beim Staatsempfang anlässlich der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth neben Katharina Wagner.
Markus Söder beim Staatsempfang anlässlich der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth neben Katharina Wagner. © picture alliance/dpa

Die neue Konstruktion könnte auf den ersten Blick als Entmachtung Katharina Wagners verstanden werden. Sie ist nun eine typische künstlerische Intendantin mit Etat und ohne direkte finanzielle Verantwortung. Und tendenziell birgt die Trennung zwischen Intendanz und Geschäftsführung auch die Gefahr von Konflikten, wie sie an vielen Theatern und Opernhäusern schwelen - manchmal untergründig glimmend, manchmal heftig ausbrechend.

Hier gilt's der Kunst

Katharina Wagner könnte die Abgabe der Geschäftsführung aber auch als Befreiung empfinden. So lässt sich jedenfalls ihr Statement aus der Pressemitteilung verstehen: "Ich bin sehr erfreut darüber, dass wir gemeinsam einen Weg gefunden haben, die künstlerische Autonomie zu stärken. Mein ganzer Fokus kann jetzt rein auf der kreativen Arbeit liegen." Dem BR sagte sie, sie sei "extrem erleichtert", dass sie sich nicht länger mit dem Verwaltungskram herumschlagen müsse und fortan ganz auf die Kunst konzentrieren könne.

Der rote Teppich vor dem Festspielhaus.
Der rote Teppich vor dem Festspielhaus. © picture alliance/dpa

Tatsächlich muss die Künstlerische Leiterin nun nur noch fast schon traditionellen Absagen von Künstlern kurz vor der Premiere erklären und keine Stellungnahmen zum Kartenverkauf, dem Stand der Sanierung des Festspielhauses und dem übrigen Kleinkram abgeben. Auch die von Insidern als mühselig beschriebene Auseinandersetzung mit der Gesellschafterversammlung und dem Verwaltungsrat dürfte sie los sein.

Behäbige Strukturen

Diese Gremien gelten als behäbig und passen schlecht zu einem Theaterbetrieb, der schnell reagieren muss. Mit derlei Widersprüchen kann sich künftig der General Manager herumschlagen. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass sich ein neuer Geschäftsführer von Kreisen vereinnahmen lässt, die Bayreuth musealisieren und nicht modernisieren wollen - wie zuletzt beim "Parsifal" von 2023, als der Verwaltungsrat nur 330 VR-Brillen für 1937 mögliche Besucher im Festspielhaus kaufen wollte und es der Festspielchefin überließ, diese Fehlentscheidung der Öffentlichkeit zu erklären.

Katharina Wagner mit Markus Söder.
Katharina Wagner mit Markus Söder. © picture alliance/dpa

Katharina Wagner leitet seit 2008 die Bayreuther Festspiele als Nachfolgerin ihres Vaters Wolfgang Wagner - zunächst gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, seit 2015 allein. Unumstritten war sie dabei nie. Traditionellen Wagnerianern waren die Regisseure, die Katharina Wagner einlud, zu experimentierfreudig, wieder andere kritisierten, dass sie in der Öffentlichkeit eher selten die Festspiele vertritt.

Der Mythos Wagner

"In den letzten Jahren ist es ihr immer wieder gelungen, künstlerische Meilensteine zu setzen", lässt sich nun Kulturstaatsministerin Roth zitieren. "Zudem hat sie erfolgreich neue Präsentationsformen wie etwa die Kinderoper und die Kino-Übertragungen eingeführt. Deshalb ist es sehr gut, dass Katharina Wagner auch in Zukunft eine prägende Rolle auf dem Grünen Hügel haben wird."

Markus Blume spricht von "spannenden neuen Impulsen". Auch ihr Blick in die Zukunft der Festspiele habe überzeugt. "Bayreuth und Wagner: Das gehört zusammen", sagte er. "Ich bin zuversichtlich, dass Katharina Wagner und das ganze Team das internationale Renommee der Festspiele unter diesen Voraussetzungen weiter ausbauen wird. Der Mythos Wagner lebt weiter."

Die Bayreuther Festspiele beginnen am 25. Juli mit einer Neuinszenierung von "Tristan und Isolde" (Regie: Thorleifur Örn Arnarsson, Dirigent: Semyon Bychkov)

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