Eine starke Frau

Die Sopranistin Barbara Hannigan über George Benjamins Oper "Written on Skin", die Kent Nagano zum Abschluss der Festspiele im Prinzregententheater dirigiert
Brigit Gotzes |
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Die kanadische Sopranistin Barbara Hannigan ist eine wahre Diva der zeitgenössischen Musik. Nein, falsch. Keine Diva, jedenfalls nicht im landläufigen Sinne. Und sie singt auch alte Musik und liebt Rameau, Mozart, Mahler und Berg. Sie dirigiert sogar. Vor alllem aber macht sie mit ihrer Stimme, was Komponisten wünschen. Und hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Ab Dienstag singt und spielt sie im Prinzregentheater die weibliche Hauptrolle in George Benjamins „Written on Skin“. Die internationale Koproduktion war zuerst in Aix zu sehen, jetzt ist sie als Festspielpremiere der Bayerischen Staatsoper in München zu Gast.

AZ: Frau Hannigan, was ist so spannend an der zeitgenössischen Musik?

Das ist eine Frage, die ich mir eigentlich nie stellen musste. Sie hat immer schon zu meinem Leben gehört. Ich habe meine erste Uraufführung mit 17 gesungen.

Warum ist sie wichtig für Sie?

Irgendwie war sie so eine Art Zuflucht für mich. In meiner kleinen Heimatstadt gab es höchstens mal den "Messias" oder eine Beethovensinfonie. Die meisten großen Werke der klassischen Musik habe ich dann in Toronto und in Europa kennengelernt, und sie haben mich erst mal eingeschüchtert.

Wieso denn das?

Ich dachte, ich sei nicht gut genug für diese starke Tradition. Da heißt es oft: So und nicht anders singt man das. Auch wenn es gar nicht in der Partitur steht.

Wie haben Sie den Zugang gefunden?

Heute, nachdem ich mit so vielen Komponisten gearbeitet habe, weiß ich, dass kein Komponist je sagen würde: Sie müssen das genauso machen wie die anderen. Darum erarbeite ich einen Haydn genau wie zeitgenössische Musik, nur von der Partitur her.

Die Agnès in "Written on Skin" hat Benjamin für Sie geschrieben. Wie fühlt sich das an?

Ich bin zwar es gewohnt, dass Komponisten für mich schreiben. Aber das ist immer noch wie Weihnachten für mich, ein großes Geschenk.

Hatten Sie schon vorher zusammengearbeitet?

Nein, wir waren aber Freunde und er kannte natürlich meine Arbeit. Wir haben uns zu Hause getroffen, zusammen musiziert, über Musik und alles mögliche gesprochen. Und dann haben wir ein Spiel mit Notenpapier gespielt: Er schrieb eine Note und ich musste die nächste schreiben, dann wieder er, und so immer abwechselnd. Dabei konnte er sehen, was meine Stimme liebt, und das hat er genutzt.

Benjamin hat also also exakt für Ihre Stimme komponiert?

George wusste, was er mir alles hätte abverlangen können, aber obwohl das vielleicht spektakulär hätte sein können, hat er eine ganz andere Virtuosität geschaffen. Sie kommt in dieser Rolle ganz stark von innen.

Was für eine Frau ist Ihre Agnès?

Sie lernt im Laufe der Oper und weiß am Schluss, wer sie ist. Es geht ihr nicht um Liebe. Sie befreit sich selbst, auf ihre eigene Weise. Sie opfert ihr Leben für ihre Freiheit. Eine unglaublich starke Frau.

"Written on Skin" spielt im Mittelalter. Was geht uns das eigentlich an?

Ganz einfach: Das ist eine Geschichte über Unterdrückung und Befreiung. Die handelnden Personen könnten auch andere sein. Und die nächste Inszenierung lässt das Mittelalter vielleicht komplett weg.

Die Urauführung hat der Komponist selbst dirigiert. Wie war das?

Wunderbar. Niemand kennt die Partitur wie er, das war für die Uraufführung einfach perfekt.

Und wie ist es mit Nagano?

Eine Entdeckung. Wir hatten noch nie zusammengarbeitet. Man fühlt sofort, wie genau er Benjamins Musik kennt und dass er sie liebt. Und er sieht die Musik neu, mit anderen Augen.

Macht das einen Unterschied für die Interpretation?

Jeder Abend ist natürlich ein bißchen anders, und man entdeckt auch immer wieder etwas Neues, aber nein, die Interpretation bleibt gleich.

Wenn Sie zu wählen hätten?

Wir brauchen beide! Das ist wahrer Luxus.

Sie haben für die "Lulu" Spitzentanz gelernt. Was möchten Sie auf der Bühne noch ausprobieren?

Das Tolle an meiner Arbeit mit Komponisten, Lbrettisten, Regisseuren ist doch gerade, dass ich nie weiß, was auf mich zukommt. Dadurch finde ich oft ganz unverhofft Dinge heraus, die ich nicht wusste oder konnte. Ich liebe Überraschungen!

2014 kommen Sie für die Marie in Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten” wieder?

Darauf freue ich mich. Unter anderem auch, weil ich bisher gerade mal den Englischen Garten und die Pinakothek kenne. Diesmal und nächstes Jahr habe ich endlich auch ein bißchen Zeit, die Stadt und die Menschen hier zu entdecken, Lieblingsplätze zu finden und mich in ihr zu Hause zu fühlen.

 

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