Eine Reise mit Wilfried Hillers "Flaschengeist" in die Südsee
Warum spielen da vier Schlagzeuger? Zwei hätten es auch getan“, meinte meine 12-jährige Begleitung kostenbewusst. Ich verteidigte den Komponisten Wilfried Hiller: Er hat früher selbst getrommelt und will seinen Kollegen was zu tun geben. Außerdem machen die vielen Instrumente auf der Bühne einfach was her. Und wann hat es je einen Sänger wie Holger Ohlmann gegeben, der sich selbst auf der karibischen Steeldrum begleitete?
Luisa mochte den Theaterzauber von Claudia Webers Inszenierung und das mit Projektionen aufgewertete Südsee-Bühnenbild von Judith Leikauf. Den Text verstand sie auch gut. Hillers Komposition nimmt junge und alte Hörer in der ersten Szene mit dem „Greensleeves“-Zitat mit und jubelt Erwachsenen auch einmal einen Klaviercluster unter. Der vergleichsweise große Orchesteraufwand einschließlich Bühnen-Akkordeon (Stefanie Schumacher) dient in jedem Takt dazu, die Geschichte zu verdeutlichen: eine erstklassige Bühnenmusik.
Den fabelhaften Countertenor Roland Schneider musste ich verteidigen: Luisa lobte zwar seinen Stimmumfang von drei Oktaven, aber sie fand das Timbre „komisch“ – ich argumentierte, dass das sehr zu einem Dämon passen würde. Am Ende ist der Teufel von der Gutherzigkeit Keawes (Paul Schweinester) und seiner Braut Kokua (Katharina Ruckgaber) so genervt, dass er fast aufgibt, ehe er doch noch überlistet werden muss. Mir war die ewigweibliche Erlösungsbereitschaft, die ich aus Opern des 19. Jahrhunderts kenne, allerdings zu viel. Was wiederum meine Begleitung nicht störte: Sie mag solche Fantasy-Geschichten.
Luisa würde für die Aufführung kein „Sehr gut“, aber ein glattes „Gut“ vergeben. Wir haben uns auf folgende Essenz geeignet: Die musikalisch starke Aufführung des Gärtnerplatztheaters liefert Kindern ab neun Jahren und ihrer Begleitung eine Menge nachhaltigen Gesprächsstoff. Und das reicht allemal als Grund für einen Besuch beim „Flaschengeist“ nach der Kurzgeschichte von Robert Louis Stevenson im Carl-Orff-Saal.
Wieder 27., 28., 29. 1. und bis Ende Februar im Carl-Orff-Saal, Telefon 2185 1960