Einakter mit dem Opernstudio im Cuvilliéstheater
Eine Frau, die eben den Diktator umbringen wollte, wälzt sich in ihrem Blut. Aber wer hat geschossen? Ihr Geliebter? Oder doch die eifersüchtige Gattin des Diktators, die das Blitz-Techtelmechtel des Macht-Charismatikers mit der Attentäterin belauscht hat.
In Ernst Kreneks Einakter „Der Diktator“ ist der Fall eigentlich eindeutig. Aber wir riskieren, hier für eine Sekunde abgelenkt vom Rokoko des Cuvilliéstheaters, keinen Eid auf die Inszenierung von Martha Teresa Münder. Die verlegte die Geschichte von Montreux in einen düsteren Kasten. Das trifft die Stimmung dieser 1928 in Wiesbaden uraufgeführten Kurzoper besser als der am Anfang besungene Frühling am Genfer See. Wer gerade nicht anwesend ist, trägt eine Maske. Und vielleicht spielt sich alles nur im Kopf des in einem Krieg des Diktators erblindeten Offiziers ab.
Viele erfreuliche Überraschungen
Der Dirigent Karsten Januschke und das Münchener Kammerorchester brachten dieses Stück ohne die im Cuvilliéstheater leicht aufkommenden Härten engagiert zum Klingen. Das löste ein erstes Erstaunen an diesem Abend aus, bei dem es an Überraschungen nicht mangelte. Die zweite war die Musik Ernst Kreneks, die das Unmögliche schafft: die Neue Sachlichkeit der Zwanziger Jahre mit Reminiszenzen an den italienischen Opern-Verismo aufzuputschen, ohne irgendwie billig zu wirken.
Die dritte Überraschung nimmt man leicht als selbstverständlich hin: dass das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper im Unterschied zu anderen Stätten der Nachwuchspflege auch über dramatische Stimmen verfügt. Boris Pr(´y)gl (Diktator), Paula Ianic (Maria) und Galeano Salas (Offizier) kamen mit dieser kantigen Musik zurecht, ohne auch nur eine Sekunde forcieren zu müssen. Wie auch sonst die musikalische Seite dem Anspruch der Marke „Bayerische Staatsoper“ restlos entsprach.
Eine weitere Überraschung war die Verbindung mit Viktor Ullmanns Einakter „Der zerbrochene Krug“. Die könnte man fast elegant nennen, wenn es nicht so unpassend wäre. Nach Kreneks Oper heulte eine Luftschutzsirene. Sie verwies zurück auf den kriegslüsternen Diktator und voraus auf eine Komödie, die ihr Komponist 1942 fertigstellte, ehe er ins KZ Theresienstadt verschleppt und zwei Jahre später in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde.
Diese komische Oper ist ebenfalls eine Überraschung: weil Kleists Sprache als nicht vertonbar gilt. Ullmann hat die Komödie auf die Intrige verdichtet, ohne die Dichtung ernstlich zu beschädigen.
Grimmige Lustigkeit
Die Inszenierung von Andreas Weirich verlegte das Stück in eine bösartige Düsternis, ohne den Komödiencharakter zu verleugnen. Das passt, weil auch der musikalische Humor Ullmanns eher grimmig wirkt und diese Komödie von ihrer Entstehungsgeschichte kaum abzulösen ist. Im Gegensatz dazu schwelgt die Ouvertüre als leicht abgespeckter Richard Strauss bereits in der Musik, die am Ende die Versöhnung des Liebespaars besiegelt. Hier wurde die Vorgeschichte als Pantomime erzählt. Ohne szenische Illustration gäbe es hier ein Loch – trotzdem wirkte das etwas überflüssig.
Neben einer zauberhaften Eve (Anna El-Kashem) und einer kratzbürstigen Marthe (Alyona Abramowa) gab es Galeano Salas (Rupprecht) und Long Long (Licht) gleich zwei lyrische Tenöre mit Spinto-Potential zu bewundern. Und einen sehr typischen, derben Dorfrichter Adam (Milan Siljanov). Der urteilte von einer Gerichtseiche herab.
Und auch wenn man als Zeuge bei der Bluttat versagt hat: Dafür, dass diese jungen Sänger allesamt ihren Weg machen werden, wird man die Hand jederzeit ins Feuer legen.
Wieder am 25., 27. und 29. April, 19 Uhr im Cuvilliéstheater, Karten (7 bis 44 Euro) an der Kasse der Staatstheater, Telefon 2185 1920
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