Ein wunderlicher Schnappschuss
Das Konterfei von Diana Damrau in der neu gestalteten Porträtgalerie der Bayerischen Staatsoper dürfte noch für kontroverse Pausengespräche sorgen. Kein Geringerer als US-Kultfotograf David LaChapelle, der schon Stars wie Madonna und David Beckham mit der Kamera porträtierte, hat die Starsopranistin in Szene gesetzt. Damrau steht in einem fließenden Gewand vor dem splitternackten Leichnam eines Jünglings, in der Hand eine Wasserschale. Von links oben schwebt ein riesiger Schwan herab.
„Ein sehr aufwändiges Set“, sagt Christoph Koch von der Bayerischen Staatsoper. Für das Shooting war Damrau von New York, wo sie gerade in Verdis „La Traviata“ sang, eigens zu LaChapelle nach Los Angeles geflogen. Jetzt hängt das großformatige Opus im Foyer des Nationaltheaters zwischen den betagten Porträts früherer Intendanten, Sänger und Dirigenten, die dereinst an der Staatsoper eine mehr oder minder bedeutende Rolle gespielt haben.
Die Dauerausstellung in den Foyers des Nationaltheaters war 1899 als „Künstlerahnengalerie des Königlichen Hoftheaters zu München“ von dem damaligen Generalintendanten Ernst von Possart begründet worden. Sie wird heute vom Förderverein Freunde des Nationaltheaters betreut und ist auf schätzungsweise 200 Porträts angewachsen, von denen aber nur 140 gezeigt werden können.
Seit den 60er Jahren gab es nur noch wenige Neuzugänge wie ein Porträt von Sir Peter Jonas, dem Vorgänger des heutigen Opernchefs Nikolaus Bachler. Der hielt es für geboten, der in Ehren verstaubten „Ahnengalerie“ zum 50-jährigen Jubiläum des Wiederaufbaus seines Hauses frischen Geist einzuhauchen.
So wurden denn 21 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt beauftragt, frühere und aktuelle Publikumslieblinge des wichtigsten deutschen Opernhauses auf zeitgenössische Weise zu verewigen. Finanziert wurde die Aktion von den Nationaltheater-Freunden und zwölf Bildpaten. Den denkbar schärfsten Kontrast zu LaChapelles opulentem Pop-Print stellt die sparsame Zeichnung der amerikanischen Künstlerin Elizabeth Peyton dar, die mit wenigen Strichen Startenor Jonas Kaufmann (mit Dreitagebart) skizzierte. Kaufmann hatte ihr, ganz klassisch, in New York Porträt gesessen.
Dagegen hat Oda Jaune, Schülerin und Ehefrau des 2007 verstorbenen Malers Jörg Immendorf, den Bariton Christian Gerhaher nie persönlich getroffen. „Sie hat sich aber sehr intensiv mit seinen Fotografien und seiner Musik auseinandergesetzt“, sagt Koch. Auf ihrem Ölbild erkennt man den Sänger an seinem charakteristischen Wuschelkopf. Aus seinem Mund dringt eine grelle Lichterscheinung.
Das Spektrum der Neuzugänge ist groß, nicht nur, was die Künstler, sondern auch, was Formate und Maltechniken betrifft. Heldentenor René Kollo, der an der Staatsoper in Wagner-Partien rauschende Erfolge feierte, ist als Holzrelief zu sehen, das Stephan Balkenhol schuf, einer der bekanntesten deutschen Bildhauer der Gegenwart. Es gibt Porträts im Stile des Fotorealismus (Sopranistin Dame Margaret Price), als Lichtskulptur (Tenor Peter Seiffert) oder als Video (Bariton Wolfgang Koch).
„Zu abstrakt sollte es nicht sein“, sagt Koch. „Man soll die Künstler schließlich wiedererkennen können.“ Dass man die neuen Porträts einfach zwischen die alten Schinken platzierte, führt zu originellen Kontrasten, die auch die historischen Bilder, darunter immerhin Schöpfungen von Stuck und Lenbach, in neuem Licht erscheinen lassen.
Dafür wurden etliche Porträts minderer Qualität abgehängt, darunter ein Bild von Fritz Wunderlich. Weil man jedoch auf die Anwesenheit des legendären Tenors nicht verzichten wollte, malte Hans Aichinger, ein Vertreter der Neuen Leipziger Schule, ein fotografisches Selbstporträt des Künstler in Öl. Die Vorlage stammt aus Wunderlichs Nachlass und zeigt den Sänger in Unterhemd und Hosenträgern, wie er sich mit einer altmodischen Kamera im Spiegel der Opern-Umkleide selbst fotografierte. Ein wahrhaft wunderlicher Schnappschuss.