Kritik

Ein Kessel Pointen: "Komplexe Väter" im Bayerischen Hof

Mit "Komplexe Väter" von und mit Intendant René Heinersdorff geht es an der Komödie im Bayerischen Hof in die neue Saison.
von  Mathias Hejny
Björn (René Heinersdorff, Mitte) versucht sich als Beziehungstherapeut zwischen den konkurrierenden Vätern Anton (Jochen Busse), ein spießiger Schlauheimer, und Schalffi Erik (Hugo Egon Balder).
Björn (René Heinersdorff, Mitte) versucht sich als Beziehungstherapeut zwischen den konkurrierenden Vätern Anton (Jochen Busse), ein spießiger Schlauheimer, und Schalffi Erik (Hugo Egon Balder). © Foto: Theater an der Kö

München - Die zentrale Figur tritt nicht auf. Niemand in dieser quirligen Familienaufstellung hätte keinen Bezug zur machtvoll abwesenden Dr. Elena Orlow. Für Mutter und Tochter ist sie die Frauenärztin ihres Vertrauens und für die drei Herren ein längst verflossenes oder gerade aktuelles Gspusi, das sie mit einem unvergesslichen Filet Stroganoff verwöhnte, sowie in einem Falle sogar die Ehefrau, die eigentlich gar nicht kochen kann.

Dieses vielschichtige Beziehungsgeflecht entwirrt sich erst nach und nach an diesem Abend, an dem Ute nur den neuen Freund ihrer Tochter Nadine kennenlernen will.

Der Titel spielt lässig mit dem psychoanalytischen Begriff des Vaterkomplexes

Um dieses Treffen bei selbstgebackenen Grissini veranstalten zu können, entfaltet sie ihre ganze Intrigantinnen-Kompetenz. Denn sowohl Nadines Erzeuger Erik als auch ihr Gatte Anton, der das Kind aufzog, sollen sich begegnen, obwohl sie sich herzlichst hassen.

So, ganz grob umrissen, ist die Ausgangslage in "Komplexe Väter", mit der die Komödie im Bayerischen Hof in den Herbst gestartet ist. Für René Heinersdorff ist diese boulevardeske Gesellschaftssatire ein Einstieg nach Maß. Das Premierenpublikum liebte die Krisen von Männern, die beweisen müssen, "kein alter Sack zu sein", und Frauen, die beweisen müssen, dass "sie keinen alten Sack" haben.

Heinersdorff ist in München mit Stücken wie "Aufguss" oder "Der Kurschattenmann" nicht völlig unbekannt, aber so geballt war er hier noch nie präsent. Es ist sein erster Spielzeitbeginn als neuer Direktor am Promenadeplatz, und er ist ein Hauptdarsteller in einem von ihm geschriebenen und inszenierten Stück, für das er zudem das zweckmäßig schlichte, aber nicht unelegante Bühnenbild entwarf. Der Titel spielt so lässig, wie das ganze Stück abrollt, mit dem psychoanalytischen Begriff des Vaterkomplexes, der hier freilich bestenfalls als Hintergrundrauschen erkennbar ist.

"Komplexe Väter": Eine Rampe für routinierte Rampensäue

Dafür spielt Heinersdorff einen Psychotherapeuten: Den Mittfünfziger Björn, der nach zweijähriger Beziehung zur 25 Jahre jüngeren Nadine auf deren beide Väter trifft. Den nicht mehr ganz taufrischen Lover spielt er in einem clownesk gelb-beige-braun großkarierten Anzug (Kostüme: Andrea Gravemann) zunächst als rührend netten Schussel, der aber in den unbearbeiteten Konflikten zwischen den Vätern seine Chance entdeckt, mit professionellem Auftreten als Beziehungstherapeut die Kontrolle über die höchst peinlichen Situationen zu gewinnen.

Das Stück ist vor allem eine Rampe für routinierte Rampensäue wie Jochen Busse als spießiges Gscheithaferl Anton mit der unbezwingbaren Neigung, sein soziales Umfeld zu erziehen, und Hugo Egon Balder als andererseits schwer erziehbarer Schlaffi Erik.

Eine ihrer besonderen Qualitäten ist die wirkungsvoll in Komödiantik umgesetzte Erkenntnis, dass jeder umso besser glänzen kann, je mehr er den Kollegen gut aussehen lässt. Und so veredeln sie die nicht durchweg originellen Dialoge zu einem brillanten Pointenfeuerwerk.

Wie in diesem Genre üblich, haben die beiden Damen keine Chance auf gleichwertiges Brillieren. Aber Katarina Schmidt als Nadine erspielt sich aus dem, was man früher ein "süßes Mädel" nannte, eine vom Leben zwischen zwei Vätern mit Komplexen gestählte junge Frau. Maike Bollow bekommt als stets besorgte und helikoptermütterliche Ute viele Lacher ab. Mit viel Charme und noch mehr Witz machen die weiblichen Gegenspielerinnen der bestens eingespielten alten Herren das Beste daraus.


Komödie im Bayerischen Hof, bis 29. Oktober fast täglich, 19.30 Uhr, sonn- und feiertags 18 Uhr, 29 16 16 33

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