Ein ganzes Haus voller Zauberwesen

Christian Gerhaher beendet mit Anna Prohaska seinen Hugo-Wolf-Zyklus im Nationaltheater.
von  Michael Bastian Weiß
Der Bariton Christian Gerhaher.
Der Bariton Christian Gerhaher. © Gregor Hohenberg/Sony

Mit drei jungen Sängerinnen hat Christian Gerhaher während seines wichtigen Hugo-Wolf-Projektes zusammengearbeitet. Der gebürtige Straubinger ist sich dabei immer treu geblieben, vor allem in seiner einzigartigen Kunst, Sprachfähigkeit der Musik und Klanglichkeit der Texte bis zur Ununterscheidbarkeit zu verschmelzen - ohne je der Versuchung nachzugeben, sich dabei einfach auf die berückende Schönheit seines Baritons zu verlassen.

Ganz gleich aber ist sich Gerhaher während der drei Konzerte, je nach Partnerin, nicht geblieben. Täuscht der Eindruck, dass er sich von Anna Prohaska am letzten Abend, der ausgewählten Liedern nach Eduard Mörike gewidmet ist, mehr aufkratzen lässt als von den Kolleginnen zuvor?

Christian Gerhaher  und Julia Kleiter: Spannungsvolle Strenge

Mit Julia Kleiter verband ihn die spannungsvolle Strenge, mit der die Form des Liedes gewahrt wurde; dem Spieldrang, mit dem Anna Lucia Richter ganze Szenen entwarf, wirkte Gerhaher eher ausgleichend entgegen. Eine ausdrucksvolle Gestik ist auch Anna Prohaska zueigen, doch bei ihr illustrieren sie nicht die Bildlichkeit des Liedes, sondern stützen Melodik und Rhythmus der Sprache. Damit bekommt ihr Gesang eine rein stimmlich erzeugte Intensität, die sich in "Schlafendes Jesuskind" als stille Ekstase ins Herz frisst, in der Szene "Bei einer Trauung" in ihrem hoffnungslosen Sarkasmus fast verletzend wirkt - künstlerisch fiktiv, versteht sich.

Anna Prohaska kann Sopran nach Belieben färben

Denn Anna Prohaska hat eine so vollkommene Kontrolle über ihren frischen, schlanken, dabei anheimelnd materialreichen Sopran, dass sie ihn nach Belieben färben und formen kann: In "An eine Aeolsharfe" nimmt sie sich die Zeit, jeden Ton zu genießen; der temperamentvolle Ammiel Bushakevitz am Klavier stellt sich rasch auf dieses vertiefende Musizieren ein. Quasi auf einem Atem ersteht der "Gesang Weylas", und in "Die Geister vom Mummelsee" kann man, hervorgerufen durch die phantasievolle Deklamation, im Nationaltheater jedes einzelne der Zauberwesen herumschwirren hören.

Anna Prohaska und Christian Gerhaher scheinen sich gegenseitig anzustacheln, den Sinn der Lieder immer noch gegenwärtiger zu machen. In keinem der Programme hat sich der Bariton so verausgabt wie in diesem finalen. Der "Hüter"-Ruf in "Wo find ich Trost" erschallt in der existentiellen Verzweiflung von Wagners Amfortas, den "Jäger" versieht er mit einer für ihn untypischen Robustheit, die Ballade "Der Feuerreiter" verglüht in schier opernhafter Dramatik. Aufregend ist es, bei diesen kleinen Hugo-Wolf-Festspielen zu erleben, wie sich Sängerinnen und Sänger von so unterschiedlicher Persönlichkeit aufeinander einlassen. Aufregend und fast utopisch.

Christian Gerhaher singt in der nächsten Spielzeit in der Neuinszenierung von Mozarts "Così fan tutte" den Don Alfonso. Premiere ist am 26. Oktober im Nationaltheater.

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