Kritik

"Ein bisschen Frieden" in München: Das Lebenswerk von Ralph Siegel zerbröselt in einer endlosen Story

Das Musical des Schlagerkönigs Ralph Siegel im Deutschen Theater in München enttäuscht mit einem schwachen Happy End.
von  Mathias Hejny
Tim Wilhelm mit Madeleine Haipt in "Ein bisschen Frieden".
Tim Wilhelm mit Madeleine Haipt in "Ein bisschen Frieden". © Michael Böhmländer

München - Bang blickt Schlager-Deutschland am heutigen Samstag nach Malmö. Dort entscheidet sich der diesjährige Eurovision Song Contest. Oft landeten die Beiträge aus deutschen Landen nur im Mittelfeld und in den vergangenen Jahren hat man sich sogar an eine Platzierung ganz am Ende der ESC-Charts fast schon gewöhnt. Das Deutsche Theater erinnert jetzt an einen einst überraschenden Triumph aus einer deutschen Schlagerküche: "Ein bisschen Frieden", der Gewinnersong des Jahres 1982 in Harrogate.

Theater-Chef Thomas Linsmayer (von links) mit Ralph Siegel und seiner Frau Laura vor der München-Premiere des Musicals "Ein bisschen Frieden" im Deutschen Theater.
Theater-Chef Thomas Linsmayer (von links) mit Ralph Siegel und seiner Frau Laura vor der München-Premiere des Musicals "Ein bisschen Frieden" im Deutschen Theater. © Felix Hörhager/dpa

Ralph Siegel, der schon zu den alten und renommierteren Haudegen des Sängerwettstreits gehörte, als dieser noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß, schrieb den Titel und produzierte ihn in seinem Sollner Studio mit Nicole. Die junge Sängerin war die erste deutsche Interpretin, die den Großen Preis gewann und ist bislang auch die vorletzte, die oben auf dem Siegertreppchen stehen durfte. Nur Lena Meyer-Landrut aus Hannover kam 2010 mit dem englischsprachigen Titel "Satellite" auch auf den ersten Platz.

"Ein bisschen Frieden" im Deutschen Theater: Ein Musical über die deutsch-deutsche Geschichte

Das Schicksal einer 17-Jährigen aus dem Saarland, die unter den Fittichen eines väterlichen Musikproduzenten aus München in die große Welt der internationalen Unterhaltungsbranche gespült wird, schien Siegel und seinem Texter Ronald Kruschak, der auch Handlung und Libretto schrieb, nicht interessant genug zu sein. Mit dem Musical "Ein bisschen Frieden" reißen sie ein ganz großes Panorama auf.

Ralph Siegel vor der München-Premiere seines Musicals "Ein bisschen Frieden".
Ralph Siegel vor der München-Premiere seines Musicals "Ein bisschen Frieden". © Felix Hörhager/dpa

Sie erzählen nicht nur von der Sehnsucht nach einer besseren Welt für noch bessere Menschen, sondern auch von gesamtdeutscher Historie. Die Vorgeschichte: Der Ost-Rocker Ricky Steiner (Tim Wilhelm, Leadsänger der Band Münchner Freiheit) und das West-Hippiemädchen Elisabeth (Madeleine Haipt) haben sich 1967, dem "Summer of love", am Rostocker Strand ineinander verliebt. Aber der Stasi-Mann Walter Krause (Benjamin Heil) hat den westlich versifften Musikanten im Blick, denn das Liedgut seiner Combo passt nicht zur politischen Linie des Arbeiter- und Bauernstaats.

Musical mit Staatssicherheit im Deutschen Theater in München

Ricky flieht mit einem Schlauchboot über die Ostsee und wird Straßenmusiker im südenglischen Badeort Brighton. 40 Jahre später reisen die inzwischen verwitwete Elisabeth (Sonja Farke) und ihre Enkelin Nina, die von Ruhm im Pop-Business träumt, nach Brighton, um Omas große Jugendliebe wiederzufinden. Verfolgt werden sie einerseits von Elisabeths Tochter und Ninas Mutter Jutta (Simone Ballack, Ex-Gattin des gleichnamigen Fußballers),

Tim Wilhelm und Madleine Haipt als gesamtdeutsches Liebespaar in "Ein bisschen Frieden".
Tim Wilhelm und Madleine Haipt als gesamtdeutsches Liebespaar in "Ein bisschen Frieden". © BrauerPhotos, G.Nitschke, Deutsches Theater

Andererseits sucht der ehemalige Staatssicherheits-Scherge Bauer (Alexander Kerbst, der für den schwer erkrankten Heinz Hoenig übernimmt) nach dem Sänger, der sich jetzt Rick Stone (Dan Lucas) nennt. Noch immer dem untergegangenen System treu will er die Veröffentlichung von Rickys Memoiren verhindern.

"Ein bisschen Frieden" ist eine Lebenswerk-Revue von Ralph Siegel

Der 78-jährige Ralph Siegel nutzt diese sich über viele bewegte Jahrzehnte erstreckende Geschichte für eine Lebenswerk-Revue mit Material, das er aus seinen mehr als 2000 Titel umfassenden Œuvre schöpfen konnte. Ganz große Hits wie "Dschingis Khan", mit dem er 1979 beim Grand Prix einen respektablen vierten Platz erreichte, kommen nicht vor. Nur der Titelsong wird immer wieder, auch mal in Moll, angespielt, um zum Finale in voller Pracht präsentiert zu werden.

"Ein bisschen Frieden" im Deutschen Theater.
"Ein bisschen Frieden" im Deutschen Theater. © BrauerPhotos / G.Nitschke

Jennifer Siemann als Nina, die stimmlich bis dahin nur in den hübschen Duetten überzeugen kann, fügt dem eher schlichten Lied und seiner naiven Botschaft interessante Farben hinzu. Doch in den drei endlosen Stunden, die bis dahin vergehen, zerbröselt die Story von unendlicher Liebe umstellt von einer endlichen Diktatur.

Das Musical von Ralph Siegel liefert ein hölzernes Happy End

Regisseur Benjamin Sahler ließ sein Ensemble vor allem in den unsäglichen Dialogen im Stich. Ebenso zeigt der ambitionierte Plot handwerkliche Schwächen. Das Happy End, zum Beispiel, ist fürchterlich: Holterdipolter findet sich die Lösung aller mühselig konstruierten Konflikte in einer schwachen Minute.

Sechs Personen begegnen sich wie zufällig unter großem, hölzern gespieltem Hallo ("Du hier?", "Ja, was macht denn ihr hier?", und so weiter), um als drei glückliche Paare irgendwie ganz viel Frieden zu finden. Um den eigentlich starken Stoff ist es ein bisschen schade.


Deutsches Theater, bis 19. Mai, dienstags bis samstags 19.30 Uhr, sonntags 14.30 Uhr, Karten online und unter Telefon 5234444

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