Ein Berliner erklärt uns Rudolph Moshammer: "Mosi - The Bavarian Dream"
Der vor der Aufführung reichlich ausgeschenkte Schaumwein und die Disko-Musik mögen die gute Laune des Premierenpublikums noch befeuert haben. Jeder Satz, jede Pointe von "Mosi - The Bavarian Dream" wurde im Marstall als Klamauk belacht.
Doch haften am Morgen danach noch Erinnerungen an gelungene Pointen? Vielleicht nur am Missverständnis der Polizistin, Rudolph Moshammer sei an einem Mode-Fauxpas dahingeschieden: Schließlich trug seine Leichte eine lila Krawatte mit Paisleymuster und ein gelbes Einstecktuch zum rosa Sakko.
Modezar und Märchenkönig
Der Regisseur und Autor Alexander Eisenach erzählt innerhalb von knappen 70 Minuten vom Aufstieg und Fall des 2005 in Grünwald ermordeten Boutiqueninhabers. Und das womöglich mit weit mehr Ambition, als es das kichernde Premierenpublikum wahrnehmen wollte.
Die mittlerweile abgeschlossene Übernahme der Maximilianstraße durch französische Nobelmarken schließt Eisenach etwas schräg mit dem Krieg von 1870/71 kurz. Auch sonst ergeben sich zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen dem sogenannten "Modezaren" und dem ebenfalls gewaltsam aus dem Leben geschiedenen Bayernkönig Ludwig II.

Als indigener Münchner reagiert man naturgemäß etwas pikiert, wenn einem ein Berliner bayerische Phänomene zu erklären versucht. Eisenach macht nichts falsch. Aber er präsentiert mit der einem Preußen eigentümlichen großen Geste nur Banalitäten, die jeder halbwegs Informierte bereits einhundertmal als Sensation vernommen hat: dass Mosi und der Kini ihren Traum lebten, dass sie schwul waren und dass Zeitgenossen ihre Visionen nicht ganz ernst genommen haben.
Die Idee der Selbstermächtigung
Alle sprechen ein an Horváth angelehntes Kunstbayerisch. Niklas Mitteregger und Vincent Glander verkörpern angemessen boshaft die hinter dem Rücken Moshammers tratschende Bussigesellschaft. Myriam Schröder ist die bläulich gefärbte Mutter Else, Katja Jung gibt den reifen, königsähnlichen Moshammer mit schwarzer Perücke und in die Stirn fallender Strähne. Lukas Rüppel verkörpert einen Reporter im Medienwandel zwischen Print und Video, der bisweilen auch Spuren ästhetischer Theorie beisteuert, sofern er nicht gerade an einer Homestory arbeitet.

Eisenach neigt dazu, die neoliberale Idee der Selbstermächtigung modisch zu feiern, statt zu kritisieren. Die genderfluide Aufteilung der Hauptfigur auf verschiedene Darsteller entspricht dem Regie-Zeitgeist. Aber der Aufführung fehlt bei aller Lust an der billigen Entlarvung der Maximilianstraßen-Scheinwelt eine Darstellerpersönlichkeit (m/w/d) mit Charisma, die auch mal auf den Theaterputz haut. Dafür muss man mit einer wackeren Künstlerin leiden, die viel Text aufzusagen hat, aber nicht einmal den kleinen Marstall sprechtechnisch bewältigt.

Camp wäre zuviel versprochen
Daisy erscheint nur am Ende als Monument. Ausgeblendet bleibt auch Moshammers soziales Engagement. Mit allem Sexuellen geht der Abend womöglich verdruckster um als Moshammer selbst. Das Programmheft bemüht den von Susan Sontag bekannt gemachten Begriff "Camp". Und da gilt es, verärgert abzuwinken: Für schwulen Glamour fehlt dem Abend die Lust an der schrillen Übertreibung und der unfreiwilligen Komik (Ausstattung: Daniel Wollenzin, Claudia Irro). "Mosi - The Bavarian Dream" ist zu biedermännisch und stadttheaterhaft brav bemüht.
Wieder am 29. April (Restkarten) sowie am 9., 14. und 22. Mai sowie am 17. Juni im Marstall
- Themen: