"Dirty Dancing": Wunderbares Gefühl füreinander
Was war „die Zeit“ unseres Lebens, was die „Time of My Life“, die Bill Medley und Jennifer Warnes 1987 besangen? Die Geschichte von „Dirty Dancing“ hat drei Zeitebenen. Denn die Autorin der Geschichte, Eleanor Bergstein, war im Jahr 1963, zur zeit der Handlung, selbst wilde 25 Jahre. Geschrieben hat sie ihr Drehbuch aber über 20 Jahre später. Jetzt kommt das Erfolgsstück auf die Bühne der Kleinen Olympiahalle.
Interview mit "Dirty-Dancing"-Drehbuchautorin Eleanor Bergstein
AZ: Mrs. Bergstein, was hatten die 60er den 80er-Jahren zu sagen und was uns heute?
ELEANOR BERGSTEIN: Als ich Mitte der 80er am Drehbuch schrieb, wollte ich diese Zeit des Umbruchs beschreiben: 1963, das Jahr der Bürgerrechtsbewegung mit Martin Luther King im Hintergrund, die Birmingham-Bomben des Kuklux Klans und die aufkommende Bewegung zur Legalisierung von Abtreibungen und Emanzipation. Und der Vietnamkrieg dauerte schon acht Jahre an. Mich haben Filmproduzenten gefragt: Warum schreibst du über Schlachten, die längst geschlagen wurden? Selbst der Ost-West-Konflikt schien sich vielleicht langsam zu entspannen. Aber ich sagte: Das ist alles wichtig als Hintergrund einer Geschichte, die anfangs ja als zu „leicht und sanft“ galt. Aber dieser Zeithintergrund gibt ja der Sache Tiefe.
Gilt das heute noch, 2014?
Die Wirklichkeit von 1963 ist wieder merkwürdig näher gerückt: Amerikanische Soldaten waren und sind gerade noch im Irak und in Afghanistan, in einem mehrheitlich abgelehnten Krieg. Im Süden der USA hat gerade wieder ein Polizist einen unschuldigen Jungen erschossen, aufgrund des Klischees vom schwarzen Kriminellen. Und die Abtreibungsrechte sind plötzlich wieder unter Druck der religiösen Rechten. Ist es nicht erschreckend, dass mancher Kampf nie aufhört? Das macht mich wütend, aber „Dirty Dancing“ erschreckend aktuell, auch wenn es ein wunderbares Unterhaltungsstück ist.
Aber muss man die Geschichte von Johnny und Baby nicht heute mit leichter, doppelter Ironie erzählen?
Weil diese liberal-konservative Bürgerlichkeit so heute nicht mehr existiert?
Ja, aber auch, weil wir uns heute an unsere überspannten Teenie-Gefühle der 80er zurückerinnern, als wir im Kino saßen?
Auch die jetzige Bühnenversion ist ja von mir. Und natürlich soll auch Romantik mit Nostalgie erzeugt werden. Aber vor allem konnte ich in der Bühnenversion sogar noch über den Film hinausgehen.
Inwiefern?
Wir haben auf der Bühne gute 20 Minuten mehr Erzählzeit. Ich habe ein paar amüsante Szenen ergänzt, Songs, Tanzszenen und mehr zum Lachen, damit die Zuschauer sich als eine Gemeinschaft fühlen. Und wissen Sie, was noch das Schöne ist: Ich kenne die Tänzer der deutschen Produktion – Anna-Louise Weihrauch und Mate Gyenei – und die haben so ein wunderbares Gefühl füreinander, viel mehr als es Patrick Swayze und Jennifer Grey hatten.
1963, in der bourgeoisen, auch noch prüderen Umgebung, war Tanzen noch eine Möglichkeit, ganz offiziell dem anderen Geschlecht körperlich nahe zu kommen. Hat sich über die Jahrzehnte die Bedeutung des Tanzen nicht völlig verändert?
Ich selbst tanze gerne und wollte den Paartanz wiederbeleben, weil er so wundervoll intim und förmlich, locker und doch geregelt zu gleich ist – eine wundervolle Metapher für das Leben. Und ich wollte in der Disco-Zeit, wo man alleine tanzt, oft sogar ohne Augenkontakt, die Sinnlichkeit des lateinamerikanischen Tanzes zeigen oder von „Dirty Dancing“, wie ich es in meiner Highschoolzeit selbst erlebt habe.
Waren Sie über die Tanzwelle überrascht, die „Dirty Dancing“ ausgelöst hat?
Vollkommen. In den schwierigen Produktionskämpfen des Filmemachens dachte ich nur: Wenn durch diesen Film vielleicht nur zwei Leute wieder echt tanzen, hat er seine Mission erfüllt. Es wurden Tausende! Die Tanzschulen, die vorher völlig „uncool“ waren, hatten wieder jungen Zulauf.
„Dirty Dancing – Das Original live on Tour“: von Mi, 26.11. bis Mo, 15.12., in der Kleinen Olympiahalle, (U3 Olympiazentrum) Karten: 25 - 90 Euro, Telefon: 54 81 81 81
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