"Dinge, die ich sicher weiß" im Metropoltheater: Sitzen und mitleiden

Das Projekt ist ähnlich großzügig angelegt wie ein Stück von Andrew Bovell. 14 Jahre dauerte es, bis Jochen Schölch seine Trilogie mit Werken des australischen Dramatikers nun vollendet hat. 2008 zeigte er im Metropoltheater "Lantana". In einem komplexen Geflecht aus Paaren verhandelt Bovell Grundsätzliches zu Liebe, Vertrauen und Betrug. 2018 folgte "Das Ende des Regens" mit einer Familiensaga von der Mitte des 20. bis weit ins 21. Jahrhundert vor dem Hintergrund eines apokalyptischen Niederschlags.
"Dinge, die ich sicher weiß": Zu intensiv für eine Soap Opera
In "Dinge, die ich sicher weiß" geht es auch um eine Familie, die allmählich auseinanderfällt, aber ohne die Wucht biblischer Symbolik. Wären die Schicksalsschläge der Familie Price aus Hallett Cove bei Adelaide nicht so dicht getaktet und weniger dramatisch, wären auch die Dialoge noch süffisant-süffiger, als sie es ohnehin schon sind, könnte man von einer Soap Opera reden. Aber wenn Rosie (Isabel Kott), die jüngste der vier Kinder, wegen gebrochenem Herzen ihren großen Europa-Trip abbricht, ist das der geringste der Konflikte, die in den intensiven 100 Minuten zur Sprache kommen.
Pip (Kathrin von Steinburg) ist selbst Mutter von zwei Kindern, hat eigentlich den "richtigen Mann", aber sie liebt ihn nicht mehr. Sie flieht zu einer Affäre mit einem verheirateten Mann nach Kanada. Mark (Sebastian Griegel) fühlt sich in seinem Männerkörper unwohl und will im weit entfernten Sydney zur Frau werden. Ben (Sebastian Degenhardt) hat die Bank, in der er arbeitet, betrogen und muss wahrscheinlich ins Gefängnis. Rosie schließlich will bald nach Brisbane ziehen, um so etwas Brotloses wie Kreatives Schreiben zu studieren.
Viel Drama ohne kitschige Gefühligkeiten
Kind um Kind zerbröselt das Familienidyll, für das die Eltern Jahrzehnte lang geschuftet haben. Mutter Fran (Lilly Forgách) glaubt, als Krankenschwester mit allen menschlichen Untiefen vertraut zu sein und Vater Bob (Robert Giggenbach) hält als Arbeiter in einer Autofabrik, wenn auch längst wegrationalisiert und vorzeitig in Rente, das Ethos des Working Class Heros hoch.
Jochen Schölch schildert all das ohne kitschige Gefühligkeiten in sehr genau auf den Punkt gespielten Situationen. Es entsteht zwischen der fiktiven Familie und den Zuschauenden so etwas wie eine empathische Beziehung. Das Bild, das Schölch dafür findet, dass die Figuren nur von wenigen Dingen wirklich etwas wissen und sie tatsächlich kontrollieren können, ist schlicht, aber wirkungsvoll: Sie treten zwischen den Sitzen im Zuschauerraum auf und sind Publikum ihres eigenen Lebens, während das reale Publikum auf der stufig aufgebauten Bühne sitzt und tief mitleidet.
Metropoltheater, im März am 12., 13., 15., 19., 20., 22., 27. und 29., 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Karten unter 089/32195533