Die "Weiße Rose" auf der Studiobühne

Auf der Probebühne im neuen Anbau des Gärtnerplatztheaters ereignet sich ein eher rätselhaft keusches Beziehungsdrama zwischen Bariton und Sopran, die nicht zueinander kommen können. Hieße es im Schlussduett nicht „Zeit, zu bekennen“ oder „Seid herzlos zu den Ungerechten“, käme – ohne den Titel „Weiße Rose“ und in Unkenntnis der Namen Hans und Sophie Scholl – niemand darauf, dass diese Kammeroper vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus handelt.
Lukas Wachernig, den inszenierenden Regieassistenten des Hauses, darf man dafür nicht schelten. Es hat mit der Entstehung der „Weißen Rose“ von Udo Zimmermann zu tun. Sie wurde 1986 in Hamburg uraufgeführt und unmittelbar danach in Eisenach und Schwerin nachgespielt. Die gesamtdeutsche Absicht des damals in Dresden lebenden Komponisten mag ehrenwert gewesen sein. Aber sie führte auch dazu, den Widerstand von Hans und Sophie Scholl bis zur Unkenntlichkeit zu abstrahieren und im Eiswasser des Existenziellen zu ertränken.
Der heroische Schluss wird heute bisweilen als Konzession an die DDR-Kulturpolitik gesehen, obwohl der seinerzeit recht geschmeidig zwischen Ost und West hin- und herschlüpfende Komponist hier ein Nazilied zitiert. Dazu soll vom Band eine fanatisierte Menschenmenge ins Zuchthaus Stadelheim hineintönen, die Wachernig und sein Dirigent Andreas Partilla weggelassen haben, weil sie heute arg theatralisch wirkt.
Verdruckste Innerlichkeit
Die Aufführung des Gärtnerplatztheaters versucht nicht, die lyrischen Szenen konkreter zu verorten. Die Stelle, an der von Euthanasie die Rede ist, verplätschert im Ungefähren. Hans und Sophie Scholl robben eine Stunde lang über die mit Torf bedeckte Bühne. Einmal wird eine Tafel mit den Worten „Arbeit macht frei“ ausgegraben, was in „Freiheit macht frei“ korrigiert wird – und weiße Rosen färben sich schwarz. Dass sich wenig Theater im engern Sinn ereignet, liegt am Stück und seiner Tendenz zur diffusen Allgemeinheit.
Sophie Mitterhuber singt die Sophie Scholl sehr eindringlich mit einem keusch-klaren Sopran. Der junge Bariton Liviu Holender, neulich als Papageno nicht besonders locker, meisterte die vielen Passagen in hoher Lage ausgesprochen natürlich. Er scheint sich bei den (hier maßvollen) Herausforderungen des 20. Jahrhunderts beträchtlich wohler zu fühlen als bei Mozart. Beiden singen sehr textverständlich, was dem geneigten Hörer aber wenig weiterhilft, weil Zimmermann lauter hochelaborierte Poesie von Franz Fühmann über Dietrich Bonhoeffer bis zum Psalmisten vertont hat.
Die Musiker des Gärtnerplatztheaters erweisen sich im Hintergrund als versiertes Ensemble für Neue Musik. Die Aufführung lässt keine Wünsche offen, und ihren pädagogischen Zweck als Ersteindruck von Opernmusik des 20. Jahrhunderts für Schüler erfüllt sie tapfer.
Trotzdem drängt sich der Eindruck auf, dass Zimmermanns „Weiße Rose“ gealtert ist. Die postmodernen Anspielungen auf Musik von Heinrich Schütz bis Robert Schumann teilen sich kaum mit. Als Debattenanstoß über die Zeit des Nationalsozialismus und zum politischen Widerstand ist diese Oper untauglich, weil sie einer unpolitisch verdrucksten deutschen Innerlichkeit mehr verpflichtet ist, als es gut tut.
Wieder 20. und 22. März, 10., 12. und 16. April, 10.30 Uhr. Restkarten (14 Euro) Telefon 2185 1960