Die "Verkaufte Braut" im Nationaltheater
Schon während der Ouvertüre zieht das Klohäuschen das Auge in seinen Bann, weil es sich so schön mit dem rotgoldenen Klassizismus des Nationaltheaters beißt. Noch schöner ist dann der hochgipflige Strohhaufen, auf dem sich der Chor malerisch drapiert. Und weil er so schön dampft und über ein Förderband verfügt, handelt es sich eigentlich um einen Misthaufen – das Bild für eine fürchterliche Welt, in der es einem sauwohl gut gehen kann.
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Patrick Bannwart hat die Bühne für diese Neuinszenierung von Bedrich Smetanas Rustikaloper „Die verkaufte Braut’“ entworfen. Er scheint sich auf dem Land und in der Landwirtschaft bestens auszukennen. Kruschina (Oliver Zwarg) reibt sich öfter mal am Bauch. Sein Arbeitshemd hat an der Stelle einen schmierigen Fleck. Das ist gut beobachtet, für Städtebewohner mit ländlichen Verwandten auch lustig, von David Bösch aber mit einer Liebe inszeniert, die das platte Land keineswegs bloßstellt.
Der Glücksfall der Aufführung heißt Selene Zanetti. Sie befreit die Titelheldin völlig vom blondbezopften Klischee. Ihre Marie ist herb, mit einer Spur von Trampel, naiv verliebt und doch sexuell selbstbewusst. Dass die lyrischen Momente zu ihrer Stimme viel weniger passen als die dramatische Arie, wird von der Lebens- und Gefühlswahrheit, mit der sie aus Rache die Reifen von Hans’ Fahrrad aufschlitzt, glaubhaft aufgewogen. Dann fährt das glückliche Paar auf dem Traktor davon.
Der große Durchblicker
Pavol Breslik bleibt als Hans blass. Auch er hat seine Schwierigkeiten mit Smetanas Lyrik und neigt dazu, in dramatischeren Stellen seinem Tenor Gewalt anzutun. Als großer Abräumer erweist sich erwartungsgemäß Günther Groissbock. Er macht aus dem Kezal einen charismatisch-schmierigen Angeber und Pseudo-Durchblicker im weißen Anzug, der die Bauern beim Armdrücken flachlegt. Dass dieser Hallodri, wie Videos behaupten, auch im Versicherungsgewerbe tätig ist, glaubt man dieser Inszenierung aufs Wort.
Groissböcks Bass tönt mehr heldenbaritonal kantig-körnig als balsamisch, was sich perfekt ins Gesamtbild fügt. Bösch hat den Fehler vermieden, dem Stotterer Wenzel allzuviel großstädtisches Mitleid angedeihen zu lassen. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke macht einen gealterten Junggesellen im quergestreifen Pullover aus ihm. Dieser Wenzel macht sich nicht nur zum Deppen, er ist auch ein Depp. Das ist brutaler und lebenswahrer, als aus der Figur einen Sensiblen zu machen, wie es neuerdings üblich geworden ist.
Im Orchestergraben derb
Der Zirkus im dritten Akt verfügt nicht nur über den perfekten Direktor (Ulrich Reß), sondern auch über die hier angemessene billige Poesie mit Seiltänzerin und einem Messerwerfer. Der trifft versehentlich den Trompeter, was uns das Vergnügen eines wunderbar komischen Zirkusbegräbnisses verschafft.
Im Orchestergraben langt man eher derb zu: Tomás Hanus lässt das Bayerische Staatsorchester ohne Zwischentöne allzu laut und sämig aufspielen. Auch hier geht es vor allem lustig zu, passend zur Inszenierung, in der auch noch das letzte Löchlein mit einem Selfie gestopft wird.
Opas Verhunzung
Bier kommt aus dem Odelfass oder der Feldspritze. Die Bauern erleichtern sich, weil das Klo besetzt ist, auf den Misthaufen. Apropos Misthaufen: Gesungen wird nicht auf Tschechisch, sondern in Deutsch, und zwar Opas Verhunzung dieser Oper durch Max Kalbeck. Sein biedermeierliches Schmeichelkätzchen, das Feinsliebchen und die holde Maienzeit sind weder so singbar, wie ihre Verteidiger behaupten, noch trägt der Text auf Übertiteln im 21. Jahrhundert zur Wahrheitsfindung bei.
Kalbecks Poesiealbum passt auch kaum zu Böschs Deftigkeit. Vergrabt diesen Text endlich in des Misthaufens tiefstem Grund! Und kippt vorher noch einen Kübel Odel drüber.
Wieder am 29. und 31. Dezember, 3. und 6. Januar im Nationaltheater, Restkarten unter Telefon 2185 1920. Livestream am 6. Januar auf www.staatsoper.tv