Die Uraufführung von "Frau Schindler" in der Reithalle

Zu Todes recherchiert: Die Uraufführung der Oper „Frau Schindler“ von Thomas Morse durch den Gärtnerplatz in der Reithalle
von  Robert Braunmüller
Die Oper „Frau Schindler“ in der Reithalle.
Die Oper „Frau Schindler“ in der Reithalle. © Christian Pogo Zach

Zu Tode recherchiert: Die Uraufführung der Oper „Frau Schindler“ von Thomas Morse durch den Gärtnerplatz in der Reithalle

Was da auf der Bühne geschieht, macht einen fassungslos. Eine Stimme aus dem Radio erklärt die Schlacht von Stalingrad für verloren. Oskar Schindler hält in der Munitionsfabrik die Bergpredigt noch einmal. Und alle Menschen werden Brüder. Der Totale Krieg fällt aus.

Einmal wird „Arbeit macht frei“ auf eine Wand projiziert. Dazu halten Juden mit Schläfenlocken und Gebetstüchern im Wohlfühl-KZ religiöse Zeremonien ab. Wie im fidelen Gefängnis der „Fledermaus“ macht Schnaps die Wachen weich. Und die immerwährend neutrale Eidgenossenschaft war offenbar Teil der US-Besatzungszone. Wie wäre es sonst zu erklären, dass ein amerikanischer Militärpolizist Überlebende mit den Worten „Willkommen in der Schweiz“ begrüßt?

Quentin Tarantino hat in „Inglourious Basterds“ die Geschichte des Zweiten Weltkriegs umgeschrieben. Darauf wollten der Komponist Thomas Morse und sein inszenierender Textdichter Kenneth Cazan gewiss nicht hinaus. Die beiden sind auch keine Zyniker. Man muss ihnen die besten Absichten unterstellen. Nur haben sie ihre Oper „Frau Schindler“ in langjähriger Arbeit leider gründlich zu Tode recherchiert.

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Jedes einzelne Detail ist vermutlich historisch belegt. Aber Details stehen im Theater nicht für sich, sie müssen auf Allgemeines verweisen und Bedeutung stiften. Ein Zeitsprung in dem an sich kontinuierlich erzählten und in einem handwerklich soliden Realismus inszenierten Stück sorgt für einige Verwirrung. Spätestens da drängt sich der Eindruck auf, der Dramaturg habe die Probenzeit von „Frau Schindler“ wie Troubadix gefesselt im Keller des Theaters verbracht.

Die Absicht von Morse und Cazan ist edel, lauter und rein. Ihr Betroffenheitsdrama soll Emilie Schindler rehabilitieren: Die Gattin des Mannes mit der legendären Liste, der Juden in seinen Munitionsfabriken menschlich behandelte und vor den Nazis rettete. Sie schmiss den Laden, während Herr Schindler soff und sich mit der Sekretärin in Münchner Hotelzimmern vergnügte.

Blitz-Psychologie und Hauruck-Dramatik

Die junge Sängerin Katerina Hebelková stellt Emilie Schindler und die Tragödie ihrer Ehe eindrücklich auf die Bühne. Mathias Hausmann gelingt das scharfe Porträt eines menschenfreundlichen Hochstaplers. Das von Andreas Kowalewitz geleitete Orchester des Gärtnerplatztheaters unterlegt ihren rezitativischen Gesang mit Vibrafongefunkel, sonoren Cello-Kantilenen und anderen neoromantischen Schönheiten. Ein arioser Aufschwung wird nur dem Hausmädchen Marthe (Jennifer O’Loughlin) nach der Festnahme Schindlers durch die Amerikaner gestattet.

Darüber mag spotten, wer von der europäischen Avantgarde geprägt ist. Aber es ist als ehrliches Musiktheater amerikanischer Prägung von einem ganz eigenen Reiz, durchaus geeignet, einen schwierigen Stoff für ein breites Publikum aufzubereiten.
Wenn es im konkreten Fall nur besser gemacht wäre: Die Figuren schwatzen ohne Ende, ohne viel nachzudenken oder tiefer zu fühlen. Mehr als ein deutsches Wort wird musikalisch falsch betont. Es gibt viel Blitz-Psychologie, Hauruck-Dramatik, Schulfunkdialoge und andere Spielsachen aus der Bauecke im Kindergarten für angehende Dramatiker.

Gut gemeint ist nicht gut - sondern das Gegenteil

Das gut Gemeinte ist auch hier das Gegenteil von gut. Carl Maria von Weber soll gesagt haben, dass man junge Hunde und erste Opern ertränken müsse. So weit braucht Morse nicht zu gehen. Aber mehr Ordnung und historisches Taktgefühl darf er einer Zweitfassung seiner „Frau Schindler“ schon gönnen. 


Reithalle, Heßstraße 132, wieder am 11., 13., 15., 17. März, 19.30 Uhr und am 19. März, 18 Uhr. Karten unter Telefon 2185 1960

 

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