Interview

"Die unendliche Geschichte" im Deutschen Theater: Ein Mädchen als Heldin

Deutsches Theater: Der Intendant des Salzburger Landestheaters über seine Bühnenfassung von Michael Endes Roman "Die unendliche Geschichte".
von  Adrian Prechtel
Atréu ist in dieser Inszenierung der "unendlichen Geschichte" ein Mädchen.
Atréu ist in dieser Inszenierung der "unendlichen Geschichte" ein Mädchen. © Anna-Maria Löffelberger

Fantastische Reise, philosophisches Gedankenspiel und Weltendrama: Michael Endes "Die unendliche Geschichte" eröffnete Generationen junger Lesefans einen neuen Blick auf die Welt. John van Düffels Bühnenfassung des Salzburger Landestheaters kommt nun für ein Gastspiel ins Deutsche Theater.

AZ: Herr von Maldeghem, nicht jeder erinnert sich gleich gut an den Roman von Michael Ende, der ja schon 1979 erschien. Dann kam die erfolgreiche Verfilmung von 1984 in den Bavaria Studios. Aber eines ist jedenfalls klar: Es ist eine opulente Geschichte mit vielen Ebenen… Sowas eignet sich doch gar nicht für eine Theaterbühne, wenn auch ein große, oder?
CARL PHILIP VON MALDEGHEM: Mir ging es ähnlich mit meiner Erinnerung aus Kindheitstagen. Ich wusste aber, dass ich von dem Buch völlig eingenommen war. Vor einigen Jahren kam dann der Autor John von Düffel mit seiner von den Erben autorisierten Theaterfassung auf mich zu. Es ist ein zweieinhalbstündiger wilder Ritt durch Phantásien. Und was den Film betrifft: Mit dem war Michael Ende gar nicht zufrieden, obwohl Film ja viele Möglichkeiten hat, aber eben auch zu klar bebildert und damit oft gegen die Leserfantasien verstößt.

Carl Philip von Maldeghem: Geboren 1969 in Prien am Chiemsee. Er studierte Jura und besuchte das Lee Strasberg Theatre Institute in New York. Er arbeitete als Regieassistent und Regisseur. Seit 2009 ist er Intendant des Salzburger Landestheaters.
Carl Philip von Maldeghem: Geboren 1969 in Prien am Chiemsee. Er studierte Jura und besuchte das Lee Strasberg Theatre Institute in New York. Er arbeitete als Regieassistent und Regisseur. Seit 2009 ist er Intendant des Salzburger Landestheaters. © Salzburger Landestheater

In der Üppigkeit des Stoffes liegt das Problem: Wovon geht Ihre "unendliche Geschichte" aus?
Die Grundidee im Buch ist ja, dass der Junge Bastian vor ihn mobbenden Mitschülerinnen und Schülern in eine Buchhandlung rennt und dort auf das Buch stößt, in dessen Handlung er hineingezogen wird. Und wir lassen Bastian in ein leeres Theater rennen, wo ein Souffleur ihm das Buch überreicht. Und in dem Moment, wenn Bastian das Buch öffnet, beginnt der inszenatorische Theaterrausch. Von der Achterbahnfahrt der Suche nach der Kindlichen Kaiserin durch das Alter Ego Bastians – den fantastischen Jäger Atréu. Und im zweiten Teil dann die Frage: Was mache ich, wenn ich plötzlich die Wirklichkeit gestalten kann? Hoffentlich Gutes, aber oft eben auch Dummes. Von der Ausstattung hat mich und meine Ausstatter "Die unendliche Geschichte" vor größere Herausforderungen gestellt als Goethe mit seinem "Faust", den ich auch schon inszeniert habe - und da sogar den eigentlich kaum inszenierbaren zweiten Teil. Alle fünf Minuten entsteht eine neue Welt.

Im Abstand von über 40 Jahren zum Buch: Was kann man oder muss man heute anders erzählen?
Wir haben zum Beispiel die beiden Helden Bastian und Atréu nicht mit zwei Männern besetzt, sondern Atréu wird von einer jungen Frau gespielt – eine androgyne Figur. Und bei uns in Salzburg ist vor dem Bühneneingang unserer Schauspielerin ein Mädchen entgegengestürmt und hat gesagt: "Ich finde es so toll, dass Atréu ein Mädchen ist! Auch Mädchen können Helden sein." Ich glaube, das hätte heute Michael Ende heute auch so gemacht.

Sie setzen auch Figurentheaterelemente ein, Videoeinspielungen, Schauspielerinnen und Schauspieler schlüpfen offen in verschiedene Rollen.
Ja, es gibt auch Flugdrachen, es gibt Musik, aber es ist kein klassisches Musical. Aber ich bin ganz sicher, dass es allen gefallen wird – Theatergängern, Musicalfreundinnen, Menschen, die eher von der Literatur herkommen, Alten und Jungen. "Die unendliche Geschichte" in unserer Version ist Theater in der Mitte der Gesellschaft - so wie es sein soll. Und dass das klappt, habe ich ja schon am Landestheater Salzburg mit großem Erfolg ständig ausverkauft zeigen können. Und das sowas klappen kann, wenn es gut gemacht ist, hat die Dramatisierung von "Harry Potter" in Hamburg gezeigt – ebenfalls keinem klassischen Genre zuzuordnen. Es ist ein Schauspiel mit starker, leitmotivischer Musik. Es wird in München auch gut ankommen. München ist ja eine Michael-Ende-Stadt - mit seinem Nachlass in der Blutenburg.


Deutsches Theater, 21. bis 24. Juni, 19.30 Uhr, am 24. Juni auch um 15 Uhr. Die für den 25. Juli geplante Aufführung entfällt.

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