Die Tragödie des Macbeth: Schwarzweiß statt blutig rot
Hinter der Bühne sind viele Kisten schon gepackt und die letzte Premiere des Volkstheaters, das es in seinem angestammten Haus an der Brienner Straße produzierte, ging über die Bühne. Seit ihrer Gründung 1983 war es Gast des "Hauses des Fußballs", wo es auch immer um mehr oder weniger volksnahe Geschäfte geht. Vielleicht sind deshalb Baugerüste die erste Assoziation beim Betrachten des Bühnenbilds von Viktor Reim. Zwei hohe Rohrgestänge sind mobil auf Rollen und gliedern den Raum in ein Davor und Dahinter, auch mal ein Dazwischen oder als einen Raum, der erklettert werden muss.
Regisseur Philipp Arnold verwendete für "Die Tragödie des Macbeth" zwar teilweise die Übersetzung von Angelica Schanelec für Jürgen Gosch, der 2005 in Düsseldorf den Schotten-König und seine Bande als nackte, Kot und Blut spritzende Herrenrunde höchst umstritten inszenierte, aber 16 Jahre später erscheint er weitaus besser erzogen.
Arnold lässt sich auch vom Gemälde aus großen Schlachten und Winkelzügen heimtückischer Morde nicht zu Unappetitlichkeiten verführen. Ganz im Gegenteil: Erst mit dem Showdown zwischen Macduff und Macbeth kommen ein paar Spritzer Rot an die Wand. Diese Shakespeare-Tragödie ist in edlem Schwarzweiß.
Wahnvorstellungen eines jungen Kriegers
Nur die Wahnvorstellungen des jungen Kriegers sind in tiefes Rot und die düster schwebenden Klänge von Adel Akram Alameddine getaucht. Diese Gespenstersichtungen stellen sich ein, nach dem er nach triumphal siegreicher Schlacht zusammen mit seinem Kampfgefährten Banquo auf seltsame Wesen trifft. Bei Shakespeare sind sie einfach die "verrückten Schwestern", in den meisten deutschen Übersetzungen sind es drei "Hexen" und Arnold zeigt zwei gespenstisch gesichtslose Figuren. Sie weissagen, dass Macbeth König werde, Banquo aber der Stammvater einer langen Herrscherlinie. Das Problem: König ist bis auf Weiteres Duncan.
Macbeth und seine Lady beschließen, das zu ändern und den in ihrem Schloss den Sieg feiernden Duncan zu ermorden. Ihm werden später sowohl der tote König als auch seinem Auftrag ermordete Banquo den Schlaf rauben. Dabei sind die Eheleute keine Monster. Jakob Immervoll ist als Titelheld ein freundlicher und zurückhaltender, fast hamletesk vergrübelter junger Mann. Das Verhältnis sowohl zur Gattin als auch zu seinem bis dahin besten Kumpel sind wenig emotional, und alle wirken unwirklich introvertiert. Henriette Nagel ist ein eher stiller Banquo und wirkt so ruhig gestellt, dass sie auch nicht völlig davon überzeugen kann, dass diese Figur weiblich besetzt werden müsse.
Lady Macbeth: Stilles Wasser statt kalter Drachen
Anne Stein als Lady Macbeth ist gleichfalls nicht der kalte, zynische und machtgierige Drachen, wie man sie anderswo schon sehen konnte. Auch sie ist ein eher stilles Wasser in schwarz-silbrig glitzernder Robe mit höfischer Frisur (Kostüme: Julia Dietrich).
Auf den politischen Aspekt der Diktatur, die Macbeth bei dieser Gelegenheit errichtet, verzichtet Philipp Arnold. Er erzählt mit seinem nur sechsköpfigen Ensemble aus fast privater Perspektive von verhängnisvollen Verstrickungen, die nicht wirklich von überirdischen Mächten ausgelegt wurden, sondern von denen, die sich darin verfangen, selbst.
Aus brutalen, schwer erklärbaren News echte propagandistische Fake News zu machen, ist auch heute noch eine beliebte Technik der Wahrheitsfindung. Arnold Philipp empfiehlt sich damit wenig spektakulär, aber recht zuverlässig als Hausregisseur des Volkstheaters, der er ab der kommenden Spielzeit im neuen Haus im Schlachthofviertel in der Zenettistraße sein wird.
Volkstheater, Briennerstraße, wieder am 1., 4., 11., 14., 20. Juni, 20 Uhr.
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