Die Rezepte der Münchner Kammerspiele gegen die grassierende Wohnungsnot

Der künftige Intendant der Münchner Kammerspiele greift in seinem ersten Projekt "Shabbyshabby Apartments" den Münchner Wohnungswahnsinn auf
Michael Stadler |
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Der künftige Intendant der Münchner Kammerspiele greift in seinem ersten Projekt "Shabbyshabby Apartments" den Münchner Wohnungswahnsinn auf

Seine Intendanz an den Kammerspielen mag „erst“ in der nächsten Spielzeit beginnen. Aber Matthias Lilienthal ist schon präsent in München, ist bei allen möglichen Premieren zu sehen, nimmt an Diskussionen teil, zum Beispiel zum leidigen Thema Konzertsaal, wobei ihm da die Einrichtung eines Migrationsmuseums doch viel wichtiger wäre.

Und er möchte offenbar nicht nur tolles Theater an der Maximilianstraße veranstalten, sondern auch ein bisschen am Erscheinungsbild der Stadt basteln.

„Shabbyshabby Apartments“ heißt der Wettbewerb, den die Kammerspiele zusammen mit dem Architektur-Kollektiv raumlaborberlin ausrichten: Bis zum 30. März waren Architekturstudierende, Urbanismusforscher, aber auch Ottonormalwohner dazu eingeladen, Entwürfe für Wohnungen einzureichen, die sich innerhalb von zehn Tagen aufbauen und vorübergehend bewohnen lassen.

Billige Kunst-Bauten als provokante Alternative

Eine ähnliche Idee hat Lilienthal mit raumlaborberlin 2014 beim Festival Theater der Welt in Mannheim verwirklicht: Dort wurden temporäre Hotelzimmer entwickelt und in der Stadt verteilt. Als er in München nun mit Schauspielern der Kammerspiele sprach, so Lilienthal, hätten weniger die Gagen eine Rolle gespielt als die Frage, wie man in dieser teuren Stadt überhaupt noch wohnen kann.

Massive Mietkosten, zu wenig Lebensraum – „Shabbshabby Apartments“ soll den Münchnern gewitzt Alternativen aufzeigen, im Stil des in den USA entstandenen Tiny House Movements, das sich mit der Frage auseinandersetzt, wie man kleinsten Wohnraum optimal nutzen kann. Der Wettbewerb verlangt von den Profi- bis Hobbydesignern also ökonomisches Geschick und Sinn für Minimalismus: Mehr als 250 Euro darf die Verwirklichung eines Entwurfs nicht kosten, die Designer selbst sollen Anfang September ihr Shabbyshabby Apartment bauen. Ab Mitte September können dann die Münchner tatsächlich in diesen Wohnungen übernachten. Tickets gibt es ab Mitte August zu kaufen.

Von 258 Einreichungen, die Hälfte davon aus München, die andere Hälfte aus Städten wie Weimar und Berlin, aber auch aus Chile – wurden 23 Entwürfe ausgesucht, die am Sonntag in der Spielhalle vorgestellt wurden. Unter den Juroren befand sich neben Stadtbaurätin Elisabeth Merk oder dem Architekturkritiker Niklas Maak auch Chris Dercon, derzeit Leiter der Tate Modern in London und momentan gehandelt als Nachfolger von Frank Castorf an der Volksbühne.

Dercon schnupperte also schon mal ein wenig Theaterluft, wenn auch in der falschen Stadt, konnte Brecht zitieren und stellte jene Entwürfe vor, die an der Maximilianstraße verwirklicht werden sollen. So sollen etwa aus alten Klamotten kleine Textilpaläste gebaut und entlang von Münchens Luxusmeile aufgestellt werden.

Provisorisches, armes Wohnen auf der Maximiliansstraße

Insgesamt soll die Stadt weitläufig, vom Englischen Garten bis zum Candidplatz, bespielt werden. Die holländische Gruppe Mea Culpa will zum Beispiel Türen in die Mauern von Bauwerken einbauen, um dadurch Innenräume zu öffnen. Auch die „Hidden Spaces“ im Untergeschoss des Maximiliansforums sollen per Tür erschlossen werden. Für die Isarauen gibt es ebenfalls mehrere Entwürfe: Hier soll aus 16 Badewannen ein ruhiges Örtchen entstehen. Und zwei Frauen aus Belgrad wollen aus Trampolin, Planschbecken und anderem Hausrat einen Platz zum Hüpfen, Duschen und Schlafen bauen.

Auf der Verkehrsinsel vor dem Isartor soll ein Baugerüst aufgestellt werden, dass im Innern mit dem Reisig von ausrangierten Reisigbesen ausgekleidet ist. Mobil geht’s auch: Als „Schlafgänger“ will ein Team mit Schlafsäcken durch die Stadt wandeln und bei Münchnern anklopfen, ob sie eine Nacht Unterschlupf gewähren.

Und dann gibt es noch den Entwurf „Paradies“, der den Mutterleib als angenehmste Wohnstätte von allen entdeckt hat. Deshalb soll eine schwangere Frau gefunden werden, die ab Mitte September ein T-Shirt trägt. Auf dem steht: „I am a Shabbyshabby Apartment“.

Shabbyshabby Apartments, ab Mitte September im Münchner Stadtgebiet. Es können noch weitere Entwürfe online auf der Webseite von ARTE Creative eingereicht werden. Zwei davon werden zusätzlich ausgewählt.

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