Die Revue "Happy Birthday, Lenny" mit dem Rundfunkorchester

Am würdigsten wird ein begnadeter Lehrer und Virtuose der ansteckenden Begeisterung durch hoch motivierte Schüler gefeiert. Die Bayerische Theaterakademie bringt die auf der Bühne des Prinzregententheaters ohne Mühe zusammen. Hier feiern Studierende der Fächer Musical und Operngesang den vor 100 Jahren geborenen und vor 28 Jahren verstorbenen Leonard Bernstein. Es ist ein sehr amerikanischer Abend des Dauer-Lächelns und der gezwungen guten Laune, der einen so lange ansteckt, bis sich irgendwann Überdruss einstellt – wie nach dem zehnten Milchshake. Das deutsche Musical-Urgestein Hardy Rudolz hat diese Revue aus Einzelnummern zusammengestellt und einstudiert.
Die Studierenden singen und tanzen auf dem überbauten Orchestergraben vor dem Münchner Rundfunkorchester auf der Bühne. Der Schwerpunkt liegt bei weniger bekannten Opern und Musicals wie „Wonderful Town“, „Peter Pan“, „Trouble in Tahiti“ und „A Quiet Place“, bis der Abend nach zweieinhalb Stunden mit einem Best-of aus der „West Side Story“ endet. Für die Arie „Glitter and Be Gay“ aus „Candide“ sprang Jennifer O’Laughlin vom Gärtnerplatztheater ein. Dass da trotzdem höchsten ein Millimeter an zusätzlicher Perfektion spürbar wird, beweist die Qualität des doppelten Dutzends Studierender, von denen gerechtigkeitshalber niemand hervorgehoben werden sollte. Denn sie bilden ein einheitliches Ensemble. Nur der Sänger des Captain Hook sollte ganz dringend an seinem Englisch arbeiten.
Aus dem Küchenradio
Zwischen den Nummern bringen die Studierenden uns Leben und Werk des Jubilars nahe. Der vor Klischees strotzende Text streicht unablässig heraus, wie sehr Bernsteins Werke Amerikas Widersprüche spiegeln. Auf der Bühne bekommt man davon nichts zu sehen: Da blüht die gute alte Zeit wieder auf, in der Frauen geblümte Röcke trugen und Matrosen noch unbehelligt von feministischen Diskursen einer Passantin nachstellen durften. Und weil es so schön ist, gibt es die gleiche Situation nach der Pause in anderen Kostümen wiederholt. Natürlich wird New York als die beste Stadt der Welt besungen. Und in der Szene aus der „West Side Story“ gibt es nicht einmal einen Hauch von Sozialkritik.
Alles ist immer Friede, Freude und Eierkuchen. Aber der Abend ist halt eine Geburtstagsfeier und kein Anlass für unangenehme Wahrheiten. Und weil wir schon mal dabei sind: Vermutlich spielt das Münchner Rundfunkorchester unter Wayne Marshall ganz wunderbar. Aber es wird leider verstärkt. Die Ouvertüre zu „Candide“ klingt am Anfang wie aus einem Küchenradio.In den vorderen Reihen scheppern einem den ganzen Abend die Ohren. Der ganze Zauber von Bernsteins Instrumentations wird auf Musical-Normalität heruntergeregelt. Aber war schon einmal jemand auf einer Geburtstagsparty, bei der im Stillen nicht doch gemeckert wurde?
Prinzregententheater, noch einmal am Samstag (ausverkauft) und am Sonntag, 19.30 Uhr (Restkarten), 10 bis 38 Euro an der Abendkasse